NABU-Beringungsstation

Das Jahr 2022 an der NABU-Beringungsstation „Mittleres Saartal“ – Eine neue Chance für die Professionalisierung

Für die NABU-Beringungsstation war 2022 ein überaus erfolgreiches Jahr mit positiven Entwicklungen und Ergebnissen. Durch den Projektstart der „Kompetenzstelle für Vogelschutz im Saarland“ (KViS) wurde auch die Arbeit der Beringungsstation finanziell gefördert. Die Mittel erlaubten eine Finanzierung des Projekts des wissenschaftlichen Vogelzugmonitorings in den Monaten Juli bis November. Für diesen Zeitraum standen Gelder für die zeitlich und personell intensive Organisation und Durchführung des Fangbetriebs an drei Tagen pro Woche zur Verfügung. In Kombination mit einem ehrenamtlichen Betrieb an den Wochenenden und unterstützt durch zahlreiche Helferinnen und Helfer aus ganz Deutschland gelang eine hohe zeitliche Abdeckung der besonders interessanten Zugzeit. Das lokale Team, das aktuell sechs Personen umfasst, wurde saisonal von zahlreichen freiwilligen Beringer*innen und Beringungshelfer*innen verstärkt. Diese lebten und arbeiteten zum Teil mehrere Wochen am Stück in der Station.
Für diesen Einsatz danken wir allen Freiwilligen herzlich!

Aufgrund der noch zeitweise anhaltenden Corona-Pandemie waren größere Veranstaltungen wie unser Tag der offenen Tür, sowie pädagogische Aktionen wie Beringungsvorführungen im Jahr 2022 noch weitgehend ausgesetzt.
Wir hoffen, dass wir diesen Teil unserer Arbeit in naher Zukunft wieder aufleben lassen können.

Rekorde und Highlights

Aus wissenschaftlicher Sicht war 2022 für die NABU-Beringungsstation ein Jahr der Rekorde und Highlights. Mit insgesamt 20.488 neu beringten Vögeln aus 90 Arten wurde zum ersten Mal in der Geschichte der Beringungsstation die Marke von 20.000 geknackt. Hinzu kommen 5.749 Kontrollfänge beringter Vögel, so dass insgesamt über 26.000 Gesamtfänge erreicht wurden – auch dies ein Allzeitrekord. Dies geht vor allem auf die intensive Erfassung, aber auch einen starken Bruterfolg der häufigen Arten und eine anhaltend starke Zugphase im August zurück, die durch die trockene Witterung im Spätsommer begünstigt wurde. In der Woche vom 17.–24.08.2022 wurden z.B. 2.500 Vögel beringt.
Mit 62 „Fremdfängen“ mit Ringen anderer Vogelwarten – von Spanien bis Finnland – wurde auch hier ein Rekord erreicht.

Herausragend ist der Fang eines im Saarland ohnehin nur selten nachgewiesenen Rohrschwirls (Locustella luscinioides) mit niederländischem Ring. Eine Rückmeldung zum Beringungsort steht aber aktuell noch aus.
Das absolute Highlight der Saison war aber der Fang eines Feldrohrsängers (Acrocephalus agricola) am 05.10.2022. Dieser saarländische Erstnachweis war auch erst der 16. Nachweis der Art in ganz Deutschland und fand überregional Beachtung. Die Art brütet in Steppenregionen von Zentralasien bis zum Schwarzen Meer und zieht gewöhnlich südostwärts zu den Überwinterungsgebieten auf dem indischen Subkontinent. Der von uns nachgewiesene Vogel wurde vermutlich durch sogenannten „Spiegelzug“ in die falsche Richtung verleitet. Das Individuum hielt sich noch mehrere Wochen im Biotop auf, der letzte Nachweis des Vogels gelang am 18.11.2022.

Daneben konnte mit einer Zwergammer (Emberiza pusilla) eine weitere deutschlandweit beachtliche Rarität gefangen werden, die im Binnenland nur sporadisch nachgewiesen wird. Für die Beringungsstation war dies für die Art bereits der siebte Nachweis. Zudem gab es noch mehrere lokale Besonderheiten mit Wachtelkönig (Crex crex), Karmingimpel (Carpodacus erythrinus) und Taigazilpzalp (Phylloscopus collybita tristis), für die respektive der zweite, dritte und vierte Fang im Gebiet zu verzeichnen waren. Erstfänge im IKEA-Biotop gelangen hingegen für gleich Arten: Sowohl Schnatterente (Mareca strepera), Waldkauz (Strix aluco) und Schwarzspecht (Dryocopus martius) wurden erstmals gefangen und beringt. Alle drei Arten sind aufgrund ihrer Größe bislang noch nie zuvor gefangen worden, da die meisten Fangnetze nur für Kleinvögel bis Amselgröße ausgelegt sind.

Neben der Beringung wird im Gebiet auch stets mit feldornithologischen Methoden beobachtet, insbesondere der Tagzug der Greif- und Singvögel, aber auch die Rastvögel im Feuchtgebiet werden intensiv erfasst und protokolliert. Diese Bemühungen zahlten sich 2022 auch mehr als aus, als am 29.10.2022 ein rastender Goldhähnchen-Laubsänger (Phylloscopus proregulus) bei der Nahrungssuche in einer Baumgruppe gesehen und fotografiert werden konnte. Die gewöhnlich in der Ostasiatischen Taiga ansässige Art wird alljährlich nach Mitteleuropa verdriftet, für das Saarland war dies aber der erste Nachweis überhaupt. Leider gelang für den Vogel aber kein Fang.

Desweiteren wurde am 12.10.2022 auch ein durchziehendes Weibchen der Steppenweihe (Circus macrourus) beobachtet, die erst zum zweiten Mal im Gebiet nachgewiesen wurde. Bemerkenswert war auch der sichtbare Vogelzug am 20.11.2022, als infolge eines nächtlichen Kälteeinbruchs in Mitteldeutschland eine gewaltige Zugwelle in geringer Höhe über das Saarland rollte. Dabei wurde die Rekordsumme von über 900 ziehenden Goldregenpfeifern (Pluvialis apricaria) erfasst, sowie zahlreiche Kiebitze (Vanellus vanellus) und Kraniche (Grus grus), aber auch Arten wie Brandgans (Tadorna tadorna), Heringsmöwe (Larus fuscus) und Großer Brachvogel (Numenius arquata).

Durch Beringung und Beobachtung ist die Artenliste für das IKEA-Biotop mittlerweile auf 192 Arten angewachsen, von denen 130 auch gefangen und beringt wurden.

Zum ersten Mal seit 2019 standen wieder Finanzmittel für eine Personalisierung des Betriebs bereit, die sich auch direkt in der Professionalität der Arbeit und den messbaren Ergebnissen widerspiegelten. Als Einrichtung mit wissenschaftlicher und pädagogischer Zielsetzung ist eine dauerhaft gesicherte Finanzgrundlage unbedingt notwendig, um die zeitaufwändige Arbeit sicherzustellen.
Wir hoffen, dass wir dies auch in Zukunft auf Grundlage des Projekts KViS weiterführen können.
Das Jahr 2022 wird allen an der Beringungsstation noch lange in Erinnerung bleiben, nicht nur aufgrund der wissenschaftlichen Erfolge, sondern auch aufgrund der vielen engagierten Freiwilligen, die durch ihre Arbeit zu diesem Projekt beigetragen haben.

Impressionen aus der Beringungsstation

Aktuelles Beringungs Team:
Andreas Hauswald, Nils Krämer, Peter Lux, Heike Rosenke, Julius Thieme & Sebastian Kiepsch
Das Team der NABU-Beringungsstation dankt allen Freiwilligen 2022:
Lukas Ehmke, Peter Ewig, Peter Holmes, Eva Hubert, Cedric Kleinert, Hannah Knudsen, Armin Kreusel, Emilie Matthes, Ulrich Mayer, Bastian Meise, Claudia Mundstein, Oliver Nüssen, Nico Orowitsch, Thomas Plentz, Andreas Schröder, Natascha Schütze, Jasper Temme, Merlin Toschki, Paul Toschki, Johannes Tumbrinck, Josef Tumbrinck, Maja Ziemer.

Wer mehr über die Arbeit erfahren möchte oder mithelfen möchte, findet mehr Infos unter www.beringung-saar.de
oder kann direkt mit dem Team Kontakt treten  unter infoberingung-saar.de.
Aktuelle Fangzahlen werden bei ornitho.de und trektellen.org (https://www.trektellen.nl/count/view/3428/20230902) veröffentlicht.