Faunenverfälschung durch gebietsfremde Lurche und Kriechtiere

von Christoph Bernd, Bexbach

In den letzten Jahren sind Neozoen (eingeschleppte Tierarten) in der heimischen Herpetofauna (Tierwelt in Bezug auf Amphibien u. Reptilien), durch die Veröffentlichung spektakulärer Funde, ins Licht der Öffentlichkeit gerückt.

Das Aussetzen, insbesondere von allochthonen (gebietsfremden), Lurchen und Kriechtieren ist dementsprechend grundsätzlich untersagt und aus Gründen des Natur- und Artenschutzes nicht zu verantworten.

Die Tiergruppen die im Sinne einer Faunenverfälschung die größten Probleme bereiten sind die Froschlurche und die überaus beliebten Wasserschildkröten. Froschlurche werden oft am heimischen Gartenteich angesiedelt, wobei ein Großteil der Lurche abwandert, sich unter günstigen Bedingungen vermehrt und neue Lebensräume erschließt. Ähnlich ist es bei frei im Gartenteich gehaltenen Wasserschildkröten. Auch hier wandert ein hoher Prozentsatz der Tiere ab und gelangt auf diesen Wege in die freie Natur. Wasserschildkröten werden allerdings auch in großer Zahl ausgesetzt. Diese Aktionen gehen meist auf das Konto interessierter Laien, die in Zooabteilungen und –geschäften von unkundigem Personal inkompetent beraten, mit den zu groß gewordenen Tieren nicht mehr zurecht kommen, die Tiere nicht vermitteln können und schließlich freilassen. Meist ist dem ‚Tierfreund’ nicht bewusst, dass er sich strafbar macht und welche Folgen das Freisetzen der Tiere haben kann. Ernstzunehmende Terrarianer (Halter von Terrarientieren) sind, da ihnen die Problematik bekannt ist, sicher nicht für die entstandenen Probleme verantwortlich.

Abgesehen von den bekannten Neozooen, wie der Rotwangenschmuckschildkröte und dem Ochsenfrosch stellen die nachfolgend vorgestellten Arten, wenn sie ins Freiland gelangen zumindest eine potentielle Gefahr dar, auf die hingewiesen werden soll.

Schnapp- und Geierschildkröten

So wurde mehrfach von ausgesetzten Schnapp- und Geierschildkröten oder vom Vorkommen nordamerikanischer Ochsenfrösche in freier Natur berichtet. Abgesehen von der direkten Gefahr für den Menschen stellen eine Reihe von Arten eine Gefahr für unser Ökosystem dar. Von den meisten ‚Exoten’ geht zumindest keine dauerhafte Gefahr aus, da sie den Winter in unseren Breiten nicht überleben. Eine Reihe von Amphibien und Reptilien, die im Terrarienhandel angeboten werden stammen jedoch aus gemäßigten Klimazonen Asiens oder Nordamerikas und besitzen daher das Potential sich bei uns in Freiheit dauerhaft zu etablieren. Von vielen dieser Arten ist, zumindest in den wärmeren Regionen Deutschlands mit einer Reproduktion (Vermehrung) zu rechnen. Die Folgen für die, ohnehin bedrohte, einheimische Herpetofauna sind mitunter katastrophal. So ist z. B. die Verdrängung der letzten Vorkommen der einheimischen Sumpfschildkröte (Emys o. orbicularis) durch die aus Nordamerika stammende Rotwangenschmuckschildkröte (Trachemys scripta elegans, Abb. 1) in Mitteleuropa ebenso belegt wie das Einbrechen der autochtonen (heimischen) Amphibienbestände durch die Ansiedlung des nordamerikanischen Ochsenfrosches (Rana catesbeiana) in Norditalien.

Feuerbauchunke

Die Feuerbauch- oder Chinesische Rotbauchunke (Bombina orientalis, Abb. 2) stammt aus Korea, dem Nordosten Chinas und dem fernen Osten Russlands. Sie erreicht eine Gesamtlänge von bis ca. 5 cm und ist auf der strahlend grünen Oberseite wie auf der strahlend roten Unterseite lackschwarz gefleckt. Aufgrund ihres ansprechenden Äußeren zählt sie zu den beliebtesten Amphibienarten und wird regelmäßig importiert. (Abgesehen von der oben beschriebenen, unverwechselbaren, typischen Form kommt noch eine braune Varietät vor, die für das ungeübte Auge, von der Oberseite betrachtet, nur schwer von der heimischen Gelbbauchunke zu unterscheiden ist.)
Zumindest bei Tieren aus dem nördlichen Verbreitungsgebiet ist davon auszugehen, dass sie sich bei uns im Freiland dauerhaft halten und vermehren können. Da sie ähnliche Biotope wie die heimische Gelbbauchunke (Bombina v. variegata) besiedelt wäre im Falle einer Ansiedlung mit einer direkten Konkurrenz der beiden Arten zu rechnen. Abgesehen davon hat sich gezeigt, dass sich die Feuerbauchunke mit der Gelbbauchunke fruchtbar verpaart. Somit könnte es zu einer weiträumigen Hybridisierung (Vermischung von Arten) und folglich zum Aussterben der reinerbigen Gelbbauchunke kommen.

Leopardfrosch

Der Leopardfrosch (Rana pipiens) ist vom Süden Kanadas bis nach Mexiko verbreitet. Er erreicht eine Kopf- Rumpf- Länge von bis 9 cm und ähnelt in Aussehen und Verhalten unserem Teichfrosch. Noch vor wenigen Jahren wurde die Art häufig für die Haltung im Gartenteich angeboten. Heute findet sie sich seltener im Handel, wird aber nach wie vor regelmäßig importiert. Da sich das Verbreitungsgebiet des Leopardfrosches weitgehend mit dem des Ochsenfrosches deckt ist auch bei ihm damit zu rechnen, dass er sich im Freiland erfolgreich halten und reproduzieren kann. Die Folgen einer potentiellen Ansiedlung sind kaum vorherzusehen, die Gefahr der Verdrängung anderer Arten besteht aber mit Sicherheit.

Westliche Zierschildkröte

Nachdem die Rotwangenschmuckschildkröte vom Handel ausgeschlossen wurde, werden vermehrt andere Wasserschildkrötenarten eingeführt. Abgesehen von großen Mengen an Schlüpflingen unterschiedlicher Arten werden in den Sommermonaten auch adulte (ausgewachsene) Wildfänge der Westlichen Zierschildkröte (Abb. 4) im Handel angeboten. Sie ist über weite Teile der USA bis in den Süden von Kanada verbreitet und weitaus kälteresistenter als Schmuckschildkröten. Die Westliche Zierschildkröte (Chrysemys picta belli) erreicht eine Carapax (Rückenpanzer)- Länge von ca. 25 cm und unterscheidet sich durch den fehlenden roten Schläfenfleck und die Rotfärbung des Plastron (Bauchpanzer) von der Rotwangenschmuckschildkröte. Die Tiere werden gezielt für die Haltung im Gartenteich angeboten, wo sie problemlos ganzjährig gehalten werden können und sich bei guten Bedingungen auch vermehren. Bei jährlich gleichbleibender Anzahl von Importen dieser Art ist die Entstehung freilebender Populationen vermutlich nur eine Frage der Zeit.
Die Etablierung reproduzierender Bestände führt mit Sicherheit zu einer Lebensraum- Konkurrenz mit der einheimischen Sumpfschildkröte, der sie aufgrund ihrer hohen Anpassungsfähigkeit überlegen ist. Die individuenschwachen Restbestände der Sumpfschildkröte halten einem solchen Konkurrenzdruck kaum stand, was zum endgültigen Aussterben unserer einzigen Schildkrötenart führen kann.

Schnappschildkröte

Die Schnappschildkröte (Chelydra s. serpentina) hat ein großes Verbreitungsgebiet über nahezu die gesamte USA bis nach Kanada. Sie erreicht eine Carapaxlänge von bis zu 50 cm und hat einen kräftigen Körperbau mit einem muskulösen Kopf. Sie gilt als sehr aggressiv und beißt beim Ergreifen äußerst heftig zu. Mit den scharfen Schneidekanten ihrer Kiefer ist sie in der Lage schwere Verletzungen zu verursachen. Die gefährlichen Schildkröten wurden noch vor wenigen Jahren für den Gartenteich angeboten und sind seit dem leider regelmäßig in unseren Gewässern zu finden. Sie überstehen den Winter problemlos und sind, was in Nordfrankreich nachgewiesen werden konnte, in der Lage sich in unseren Breiten zu vermehren. Eine nahe Verwandte der Schnappschildkröte ist die Geierschildkröte (Macroclemys temminckii) aus dem Südosten der USA. Sie gehört mit einer Carapaxlänge von bis 75 cm und einem Gewicht von angeblich bis über 100 kg zu den Riesen unter den Schildkröten. Sie ist termophiler (wärmeliebender) als die vorgenannte Art, kann sich aber offenbar bei günstigen Bedingungen auch dauerhaft im Freiland halten. Die in diesem Sommer im Dornbacher Weiher in München gefundene Schildkröte bewohnt das Gewässer nach Presseberichten schon über eine Dauer von zehn Jahren. Die Geierschildkröte ist hervorragend getarnt und kann, halb untergetaucht, leicht mit einem Holzklotz oder verrottendem Baumstamm verwechselt werden. Kommt man ihr zu nahe wehrt sie sich wie die Schnappschildkröte durch Zubeißen, was in diesem Falle noch weitaus schwerwiegendere Folgen haben kann. Eine große Schildkröte ist zweifellos in der Lage einem Kind eine Hand abzubeißen.
Aufgrund der, von diesen Schildkröten ausgehenden Gefahr für den Menschen wie für das Ökosystem sind sie mittlerweile vom Handel ausgenommen.

Dornrand-Weichschildkröte

Die Dornrand- Weichschildkröte (Apalone s. spinifera, Abb. 5) bewohnt in verschiedenen Unterarten die Vereinigten Staaten und Kanada, wobei die, am häufigsten importierte Nominatform (Apalone spinifera spinifera) am weitesten nach Norden vordringt. Sie hat im Vergleich zu anderen Schildkröten einen weichen, ledrigen, sehr  stark abgeplatteten Panzer. Die Jungtiere besitzen ein apartes Flecken- und Tarnmuster und sehen mit ihrer langen Schnorchelnase recht lustig aus, was oft zum Kauf der Tiere verleitet. Allerdings erreichen sie eine Carapaxlänge von über 40 cm und sind schon aus diesem Grunde für die Terrarienhaltung ungeeignet. Werden sie ergriffen verteidigen auch sie sich durch heftiges Zubeißen, wobei sie durch ihren enorm langen und beweglichen Hals fast alle Stellen ihres Körpers erreichen können. Obschon die Bisse weit weniger gefährlich als die, der vorigen Arten sind, können sie doch empfindliche Verletzungen verursachen. Aufgrund ihrer nordamerikanischen Herkunft besteht kein Zweifel, dass sich die Art bei uns im Freiland halten kann, eine Reproduktion ist nicht unwahrscheinlich. Möglicherweise ist es nur die relativ geringe Anzahl der in Freiheit gelangten Tiere, die eine Ansiedlung bis jetzt verhindert hat.