Positionspapier “Jagd im Saarland“

1. Das Leitbild der Jagd

Der Verlust an biologischer Vielfalt, d.h. von Lebensräumen und ihren Arten, ist ein globales Problem. Der rasante Verlust von Tier- und Pflanzenarten durch Zerstörung ihrer Lebensräume hat nach Auf­fassung des NABU das Ausmaß einer Katastrophe angenommen.

Der NABU setzt sich für ein neues Verhältnis der Menschen zur Natur ein. Dies bedeutet auf der einen Seite sich an Nutzungsstrategien zurückzuerinnern, die naturverträglich und damit nachhaltig sind, auf der anderen Seite aber auch ein Netz von Flächen in unserer genutzten Kulturlandschaft einer unbe­ein­flußten Entwicklung zu überlassen. Eine naturnahe Jagd-Nutzung und ein Schutzgebietsnetz sollen im Saarland einen Beitrag gegen den Schwund unserer Tier- und Pflanzenarten und damit einen Beitrag zur Artenvielfalt leisten.

Der NABU Saar bekennt sich zu einer naturverträglichen Jagd als grundsätzlich sinnvolle Form der Landnutzung.

Seit 1987 wird im Saarland die naturnahe Waldwirtschaft mehr oder weniger flächendeckend umgesetzt. Ein wichtiger Aspekt dieses auf Nachhaltigkeit ausgerichteten Nutzungskonzeptes ist u.a. die Förderung der Artenvielfalt im Rahmen der naturnahen Waldwirtschaft.

Neben der Landwirtschaft und der Waldwirtschaft ist aber die Jagd die flächenwirksamste Land­nutzungs­­form überhaupt. Die Gewinnung von Wildfleisch steht dabei im Vordergrund und nicht etwa die Trophäe, die über lange Zeit das jagdliche Handeln bestimmt hat und die zu einer Fehlentwicklung im Verhältnis Jäger – Wildtier geführt hat. Die Jagd hat sich somit zukünftig lediglich auf die Schalenwildarten zu beschränken.

Neben dem Aspekt der Nutzung, hat die Jagd die Ziele der naturverträglichen Land- und Waldwirtschaft in besonderem Maße zu fördern.

Ziel einer zukünftigen Bejagung muss es sein, Wildtiere in unserer Kulturlandschaft zu nutzen (Gewinnung von Wildfleisch) und reduzierend in Schalenwildbestände einzugreifen, sodass die vorgenannten Ziele erreicht werden können. Der Jagddruck muss durch den örtlichen Verhältnissen angepaßte Jagdmethoden und lange jagdfreie Phasen reduziert werden, um den Belangen des Arten-, Natur- und Umweltschutzes Rechnung zu tragen.

2. Grundsätze der Bejagung:

Der NABU-Saar fordert für alle Schalenwildarten:

  • Nachtjagdverbot (1 Std. vor Sonnenaufgang und 1 Std. nach Sonnenuntergang)
  • Abkehr von der Trophäenjagd
  • Der örtlichen Situation angepasste Form von Bewegungsjagden
  • Reduzierung des Jagddrucks durch zeitliche Konzentration der Bejagung
  • Allgemeine Jagdzeit vom 15.07. bis 15.08. und vom 15.10. bis 31.12.

3. Aufgabe der Jagd:

Der NABU-Saar sieht in der bisherigen Ausrichtung der Jagd an der Trophäe ein grundlegendes Problem.Die Abschusspläne sind zukünftig an den Zielen einer naturverträglichen Land- und Waldwirtschaft (z.B. über Vegetationsweiser) auszurichten und müssen den Erfordernissen zur Förderung der Artenvielfalt in besonderem Maße entsprechen. Die Jagd ist dementsprechend weitestgehend nach dem Zufallsprinzip (Abschussmindestzahlen nach Geschlecht) auszurichten.

Zentrale Forderungen:

  • Die an der Trophäe ausgerichtete Jagd sowie alle gesetzlichen Regelungen, die direkt oder indirekt diese Jagdform zum Ziel haben, ist abzuschaffen.
  • Die Abschußpläne für Reh- und Rotwild sind nach Mindeststückzahlen anhand von Vegetationsweisern herzuleiten.
  • Der Wildbestand ist so zu reduzieren, dass eine naturnahe und damit nachhaltige Land- und Forstwirtschaft gewährleistet wird.
  • Der Wildbestand ist so zu reduzieren, dass dadurch dem Ziel zur Erhaltung bzw. Erhöhung der Artenvielfalt in unserer Kulturlandschaft entsprochen wird.

4. Jagdform:

Der NABU-Saar fordert, dass zukünftig keine störungsintensiven Jagdformen (ganzjährige Einzeljagd als ausschließliche Jagdform) mehr stattfinden dürfen. Die Jagd muß professionell, tierschutzgerecht und den wildbiologischen Eigenarten der zu bejagenden Schalenwildarten gerecht werden.

Zentrale Forderungen:

  • Kurze Jagdzeiten und lange Ruhephasen sollen den Jagddruck reduzieren.
  • Effektive Jagdmethoden sind wo immer möglich zu bevorzugen (z.B. Bewegungsjagden)

Sonderbestimmungen:

  • Für alle Schalenwildarten kann mit Zustimmung der Unteren Jagdbehörde im Einver-nehmen mit der Unteren Naturschutzbehörde aus überwiegenden Gründen des Allge-meinwohls (Schäden, Seuchen) eine Bejagung außerhalb der allgemeinen Jagdzeit zugelassen werden.

Sonderbestimmungen für Rotwild- und Schwarzwildreviere:

  • Gründung von Rotwild und Schwarzwild Bewirtschaftungsgemeinschaften.
  • Effiziente Bejagung mit revierübergreifenden Bewegungsjagden (Mindestfläche 400 Hektar zusammenhängend).

5. Abschußpläne:

Der NABU-Saar fordert die Herleitung der Abschusszahlen anhand von Verbißaufnahmeverfahren. Die Abschusspläne sind nicht mehr nach Altersklassen auszurichten sondern nach Mindestzahlen und Geschlecht.

6. Körperlicher Nachweis:

Der NABU-Saar fordert den körperlichen Nachweis für alle Schalenwildarten einzuführen.

7. Jagdverpachtung:

Der NABU-Saar fordert, dass zukünftig nur noch örtlichen Jägern der Vorzug bei der Jagdverpachtung zu geben ist. Die gewährleistet die Einbindung der Jagd in die örtlichen Nutzungs -, Kultur- und Lebensräume.

Daher die zentrale Forderung:

  • Stärkung der örtlichen Jägerschaft durch Wiederzulassung des Jagdrechts von  Jagdgesellschaften (Jagdvereine).

8. Jagd in Schutzgebieten:

Die derzeitigen Regelungen im § 30 des Saarländischen Jagdgesetzes sind für den NABU-Saar nicht nur unbefriedigend sondern für die Zielsetzungen hinsichtlich der Entwicklung von Schutzgebieten sogar kontraproduktiv, so daß hier eine Novellierung dringend geboten ist. Die nachfolgenden Forder­ungen müssen sowohl im Jagdgesetz, als auch in den Schutzgebietsverordnungen gem. § 17 SNG ihre Be­rücksichtigung finden.

Jagd in Schutzgebieten darf nur dann stattfinden, wenn sie zur Verwirklichung des Schutzzieles unabdingbar nötig ist. Sie muß störungsarm und mit einem minimalen zeitlichen Aufwand ausgeübt werden.

Schutzgebiete die von einer Einschränkung  bzw. Änderung der Jagdausübung betroffen werden sollten, sind im Saarland Natura 2000 - Gebiete, Naturwaldzellen und Naturschutzgebiete.

Der NABU-Saar fordert für diese Schutzgebiete:

  • Eindeutige Aussagen zur jagdlichen Nutzung zu treffen, dies bedeutet die Schutzgebietsverordnungen sind dahingehend zu aktualisieren, dass eindeutige Aussagen zum Schutzzweck und zur jagdlichen Nutzung getroffen werden.
  • In allen Schutzgebieten ist die Jagd störungsarm und mit einem Minimum an zeitlichem Einsatz durchzuführen.

Einschränkungen und Verbote für alle Schutzgebiete:

  • Ein Verbot zur Errichtung und Unterhaltung von Jagdeinrichtungen, die dem Schutzziel zuwider laufen.
  • Ein Verbot von Fütterungen und Kirrungen auch in sogenannten Notzeiten*, sowie ein Verbot zum Ausbringen von Medikamenten und Anlockmitteln.
  • Das Befahren ist nur auf ausgewiesenen Wegen erlaubt.

 

Darüber hinaus fordert der NABU Saar für Naturschutzgebiete (§17 SNG) und Naturwaldzellen (§ 11, Abs. (3) LWaldG) mit einer zusammenhängenden Fläche über 50 Hektar:

  • Die Jagd darf nur dann ausgeübt werden, wenn sie zur Erfüllung des Schutzzieles unabdingbar notwendig ist. Hierüber befindet die zuständige Naturschutzbehörde.
  • Die Jagd darf ausschließlich in der Zeit vom 15. Oktober bis 31. Dezember ausgeübt werden.
  • Die rechtlichen Voraussetzungen (Schonzeitverordnung) sind an diese Erfordernisse anzupassen.
  • Ist eine Bejagung außerhalb dieser Zeit zur Erfüllung des Schutzzieles unabdingbar notwendig, (z.B. massive Schwarzwildschäden in Orchideenbeständen etc.) kann die zuständige Naturschutzbehörde eine Bejagung anweisen.

9. Beizjagd:

Der NABU-Saar stellt fest, dass die Beizjagd aus tierschutzrechtlichen Gesichtspunkten bedenklich und als Jagdmethode überholt ist. Die Beizjagd wird deshalb als Jagdform grundsätzlich abgelehnt.

10. Hundeausbildung:

Da der NABU-Saar nur noch in der Bejagung von Schalenwildarten die einzige Aufgabe einer zukünftigen Jagdnutzung sieht, erübrigen sich an dieser Stelle auch Aussagen zu den mit Recht umstrittenen Aspekten der Hundeausbildung an lebenden Tieren (Ente, Fuchs).

So hat sich die Hundeausbildung im wesentlichen auf die Aspekte des Stöberns (Bewegungsjagden) und die Nachsuche zu beschränken. Diese Ausbildungsformen sind, was den Gebrauchshund und das Wildtier betrifft, tierschutzrechtlich unbedenklich, da im Falle des Stöberns die Veranlagung des Hundes das notwendige Wesensmerkmal darstellt und im Falle der Nachsuche, ein solches Verhalten mit Blut und toten Tieren (Überreste) trainiert werden kann.

11. Jagdausbildung:

Der NABU-Saar stellt fest, dass eine Jagdausbildung nach wie vor stattfinden muss, jedoch mit zeitgemäßen, wildbiologischen Ansätzen.

Die Jägerausbildung bedarf deshalb einer grundlegenden Neuorientierung um die vorgenannten Ziele den Jungjägern nahezubringen.

Die Ausbildung muss immer die Vermittlung aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse gewährleisten.  Die Fort- und Weiterbildung und der Nachweis der Schießfertigkeit sind unabdingbare Grundsätze eine zukünftigen Ausbildung.

Die Ausbildungs- und Prüfungsordnung ist laufend an aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen und zeitgemäßen Inhalten auszurichten. Die Oberste Jagdbehörde soll mit der Erstellung dieser Grundlagen beauftragt werden. Bei der Erstellung sind u.a. die Jagdverbände, Umweltverbände, der Tierschutz, die Waldwirtschaft, die Landwirtschaft, der Naturschutz und wissenschaftliche Vertreter aus Biologie, Zoologie und Ökologie zu beteiligen.

Die Oberste Jagdbehörde beruft einen Prüfungsausschuss, in dem je nach Fachgebiet alle von der Jagd betroffenen Gesellschaftskreise vertreten sind (z.B. Jagdverbände, Umweltverbände, Waldwirtschaft, Landwirtschaft, Tierschutz, Naturschutz und wissenschaftliche Vertreter aus Biologie, Zoologie und Ökologie). Eine Verordnung regelt die Zusammensetzung dieses Ausschusses.

 

12. Notzeit:

Der Begriff der Notzeit sollte aus dem Jagdrecht gestrichen werden.

 

13. Hege:

Der  NABU-Saar fordert die Abschaffung des Begriffes der Hege aus dem Jagdgesetz.

 

14. Fütterung und Kirrung:

Der  NABU-Saar fordert ein generelles Verbot der Fütterung und Kirrung.

15. Wildschaden:

Der NABU-Saar stellt fest, dass Wildschäden das Ziel der naturnahen Waldwirtschaft vielerorts in Frage stellen. Zur Unterstützung der o.g. Zielsetzungen sind geeignete Instrumentarien zu entwickeln, die eine sachgerechte, aber einfache Abwicklung entstandener Waldschäden (ähnlich wie in der Landwirtschaft) erlauben.

Der NABU-Saar stellt deshalb folgende zentrale Forderungen:

  • Volle Schadensersatzpflicht für alle Wildschäden durch den Jagdpächter.
  • Einfache Herleitung von Waldschäden, ähnlich Landwirtschaft.

16. Abschuss von Haustieren:

Der nach wie vor übliche und legitime Abschuss von Haustieren, die sich aus dem Einwirkungsbereich des Besitzers entfernt haben, wird abgelehnt.

17. Fallenjagd:

Auch wenn sich durch die Forderung des NABU’s zukünftig nur noch Schalenwild zu bejagen, eine Aussage zur Fallenjagd erübrigt, wird der Klarheit halber folgendes festgestellt.

  • Die Fallenjagd, die auch heute noch legitim ist (§32 Abs. (1), Ziffer 3. SJG), ist als Jagdform grundsätzlich abzulehnen.