Streuobst im Saarland

Schon seit den 80er Jahren sind der NABU Saarland sowie zahlreiche NABU-Gruppen aktiv für die Erhaltung der saarländischen Streuobstbestände. Mit über 5.000 Tier- und Pflanzenarten sowie rund 3.000 Obstsorten sind Streuobstwiesen einer der Lebensräume mit der höchsten biologischen Vielfalt, die es nördlich der Alpen gibt.
Der NABU initiierte die erste Aufpreisvermarktung von Streuobstsaft im Saarland und beteiligt sich derzeit aktiv an der Aufpreisvermarktung im Bliesgau, die vom Förderverein Biosphäre Bliesgau koordiniert wird.

Zahlreiche NABU-Gruppen von Perl und Merzig bis Kleinblittersdorf und Blieskastel beschäftigen sich mit der Bewirtschaftung von Streuobstwiesen. Näheres dazu können Sie bei Rudi Reiter erfragen.

Streuobstbau = Hochstammobstbau ohne Einsatz synthetischer Behandlungsmittel wie Dünger oder Pestizide (BROCKHAUS 2004)

Apfelsortengarten

Bei Merzig betreut der NABU unter Federführung von Markus Austgen einen von der EU co-finanzierten Apfelsortengarten mit 100 verschiedenen Apfelsorten. Wer dort z.B. Interesse an Führungen mit Schulklassen oder anderen Interessenten hat oder sich aktiv bei der Bewirtschaftung beteiligen möchte, möge sich bei Markus Austgen melden.

... Boschüre "100 Äpfel"

Streuobstanbau

Stand und Entwicklungschancen

von Markus Austgen, Merzig

Der Streuobstanbau mit hochstämmigen Obstbäumen zählt in weiten Teilen des Saarlandes zu den landschaftsbildprägenden Elementen der Kulturlandschaft.

Angesichts der zu beobachtenden Entwicklung der Hochstammbestände scheint er allerdings ein Auslaufmodell zu sein. Überalterte und ungepflegte Bestände, brachfallende Baumwiesen und nur wenige gepflegte Neupflanzungen prägen das Bild.

Dies gab im vergangenen Jahrzehnt in den saarländischen Landkreisen Veranlassung zur Erfassung der Bestände. Diese landkreisbezogenen Streuobstkartierungen sind mittlerweile für fast das ganze Saarland abgeschlossen und erlauben einen ersten Vergleich mit der letzten flächendeckenden, systematischen Zählung von 1965.

Der vollständige Originaltext mit detaillierten Tabellen zur Bestandsstruktur und dem Quellenverzeichnis ist erschienen im Juni 2004 im Band Nr. 29 (2003) der Abhandlungen der DELATTINIA – Aus Natur und Landschaft im Saarland, Seite 147 – 164.

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Zusammenarbeit Bioland und NABU

Der Bioland Landesverband Rheinland-Pfalz/Saarland und der NABU (Naturschutzbund Deutschland) möchten gemeinsam zugleich Ökolandbau und Streuobstbau in Rheinland-Pfalz und im Saarland stärken.

Dazu wird die Herstellung und Vermarktung von “Streuobst-Bioland-Produkten” initiiert. Die Vorteile für Erzeuger und Verbraucher liegen auf der Hand: Bioland steht für die Bewirtschaftung der Streuobstwiesen nach den Richtlinien des kontrolliert-ökologischen Landbaues. Der NABU steht mit dem NABU-Qualitätszeichen für die Einhaltung weitreichender Naturschutz- und Umweltschutzaspekte im Streuobstbau.

Das Problem: Streuobst wird vielfach nicht angemessen bezahlt.

Die Preise für Streuobstäpfel liegen vielerorts zwischen 5 und 10 Euro je Doppelzentner. Ein Streuobsterzeuger müßte aus betriebswirtschaftlicher Sicht jedoch mindestens 15 Euro je Doppelzentner erlösen, damit sich der Streuobstbau, also auch Baumschnitt und Nachpflanzungen, rechnen. Daß dennoch Streuobstäpfel für geringere Preise abgeliefert werden, liegt in erster Linie am “Mitnahmeeffekt”. Noch vorhandene Streuobstbestände werden beerntet; es finden jedoch meistens keine Baumpflege und auch keine Nachpflanzungen mehr statt.

Eine Erfolgsstory – die Streuobst-Aufpreisvermarktung.

Die Nutzung der Streuobstbestände lohnt sich seit Ende der 80er Jahre betriebswirtschaftlich wieder, weil zahlreiche Streuobstvereine, Keltereien und Naturschutzgruppen Vermarktungsmodelle speziell für Streuobstgetränke initiiert haben, bei denen Preise von rund 15 bis 20 Euro/100kg für das Streuobst (zumeist Äpfel, seltener Birnen) ausbezahlt werden. Diese liegen somit deutlich über den üblichen Marktpreisen.

Das Funktionsprinzip ist bei den bundesweit ca. 100 Streuobst-Aufpreisvermarktern mehr oder weniger das Gleiche. Die Streuobstbewirtschafter verpflichten sich vertraglich, bestimmte Naturschutz- und Umweltvorgaben einzuhalten. Dazu gehören die Benennung ihrer Flurstücke, der Verzicht auf synthetische Behandlungsmittel (Pestizide und Dünger) sowie ein Pflanzgebot für die Hochstämme. D. h., für abgängige Bäume müssen neue Hochstämme nachgepflanzt werden, Neuanlagen dürfen nur mit hochstämmigen Obstbäumen getätigt werden. Das so erzeugte, qualitativ hochwertige Streuobst wird getrennt erfaßt und zu speziellen Streuobstprodukten, meistens Apfelsaft, verarbeitet. Es muß betont werden, daß auch weitere Obstarten im Streuobstbau in puncto Vermarktung eine Rolle spielen können. Zu nennen sind hier beispielsweise Walnüsse (Tafelobst, Öl), Pflaumen und Zwetschen (Tafelobst, Brände, Trockenobst), Mostbirnen (Wein, Brände, Saft und Trockenobst), Süßkirschen (Tafelobst, Brände) und Speierling (Brände, Zugabe zu Obstweinen).

Für qualitativ hochwertige Streuobstprodukte läßt sich am Markt ein guter Preis erzielen, der deutlich über dem von konventionell erzeugten Obstprodukten liegt. Dadurch ist es möglich, den Streuobstbewirtschaftern für ihr Obst einen angemessenen Preis zu zahlen, der aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu Nach- und Neupflanzungen von hochstämmigen Obstbäumen und zur Pflege bestehender Streuobstbestände motiviert. Im Jahr 2000 betrug der Marktwert der so erzeugten Produkte in Deutschland über 10 Millionen Euro – bei ständig steigender Tendenz!

Die Fördergemeinschaft regionaler Streuobstbau Bergstraße – Odenwald – Kraichgau e. V. – eine Initiative mit Vorbildcharakter

Ein sehr erfolgreiches Aufpreismodell ist die “Fördergemeinschaft regionaler Streuobstbau Bergstraße – Odenwald – Kraichgau e. V.”, kurz FÖG genannt. Die FÖG ist eine der ältesten Streuobst-Aufpreisinitiativen in Deutschland. Sie wurde 1990 gegründet und hat die “Bio”-Anerkennung nach EU-VO 2092/91 (Beitritt zu Bioland wird momentan verhandelt). Das Vertragswesen mit den beteiligten Keltereien (Falter Fruchtsaft GmbH, Heddesbach sowie Kelterei Neu, Freinsheim) und Obsterzeugern ist fachlich ausgereift, die Auszahlungspreise für Streuobstäpfel liegen je nach Obsternte zwischen 14 und 21 Euro je Doppelzentner.

Darüber hinaus bemüht sich die FÖG, Streuobsterzeugern aus ökonomischen Gesichtspunkten eine langfristige Perspektive zu schaffen. Der Streuobstbau ist keine kurzfristige Angelegenheit. Neupflanzungen fangen beispielsweise erst nach 5 - 10 Jahren an, Erträge abzuwerfen. Die FÖG ist daher an langfristigen Bindungen interessiert. Zur Zeit gibt es 79 Vertragserzeuger, die ihre Flächen nach den Richtlinien des biologischen Landbaues bewirtschaften.Weitere Tätigkeitsfelder der FÖG sind die Bezuschussung von Neuanpflanzungen und Pflegemaßnahmen, Beratung bei der Obstsortenwahl und der Erhalt alter regionaler Hochstamm -Obstsorten. Der städtischen Bevölkerung des Ballungsraumes wird die ökologische Wertigkeit der Streuobstwiesen u. a. durch Kräuterführungen (“Eßbare Kräuter aus Streuobstwiesen und ihre Verwertung”) nahegebracht und schmackhaft gemacht.

Wie funktioniert das Projekt?

Die Kriterien von Bioland, NABU sowie FÖG liegen aufgrund ihres jeweiligen Erfolges in der Praxis der Projektidee zu Grunde.

Die Streuobsterzeuger verpflichten sich vertraglich, sowohl die Bioland-Richtlinien als auch die Kriterien des NABU-Qualitätszeichens für die Bewirtschaftung ihrer Obstflächen einzuhalten. Streuobsterzeuger können sowohl Landwirte als auch Privatpersonen sein. Die Streuobsterzeuger unterschreiben einen Anliefervertrag und liefern das Streuobst an zentralen Sammelstellen ab. Innerhalb von vier Wochen nach Obstanlieferung erhalten die Streuobsterzeuger von den beteiligten Keltereien/Verarbeitern die Zahlung für ihr Streuobst. Der Preis liegt in der Regel deutlich über dem Marktpreis. Die Auszahlung beträgt mindestens 14,- Euro/100 kg Streuobstäpfel und steigt in Abhängigkeit vom Marktpreis für konventionelles Obst auf bis zu 21,- Euro/100kg. Weiterhin verpflichten sich die Streuobsterzeuger, ihren Streuobstbeständen eine Mindestmaß an Pflege zukommen zu lassen.

Die beteiligten Keltereien/Verarbeiter verpflichten sich, daß getrennt eingesammelte Streuobst zu einem “Streuobst-Bioland-Getränk” zu verarbeiten und entsprechend zu vermarkten. Weiterhin obliegen die Kosten für Werbung und Vermarktung des Apfelsaftes sowie die “Bio”-Kontrollkosten den Keltereien/Verarbeitern.

Welche Voraussetzungen müssen die Streuobsterzeuger erfüllen?

Ansprechpartner sowohl für den Bioland-Verband als auch für den beteiligten Verarbeiter ist die “Streuobstinitiative”, in der sich die Streuobsterzeuger zusammengeschlossen haben. Dies können eigens gegründete Vereine als auch anerkannte Naturschutzverbände, Obst- und Gartenbauvereine, Landschaftspflegeverbände, Heimatvereine, Landjugendgruppen, Gemeinden mit Ausgleichs- bzw. Ökokontoflächen usw. sein. Bei Landwirten, die keinem Bio-Verband angehören, sind alle Obstflächen in ihrem Betrieb nach den Bioland-Richtlinien zu bewirtschaften und das Streuobst in die Streuobstinitiative einzubringen. Die Nutzung des Warenzeichen “Bioland” kann erfolgen, wenn die Streuobstflächen bzw. der Betriebszweig “Obst” 36 Monate vor der Ernte richtliniengemäß bewirtschaftet wurde. Das heißt, Streuobsterzeuger müssen nach Abschluß eines Liefer- und Abnahmevertrages mit der Streuobstinitiative zunächst eine dreijährige Umstellungsfrist durchlaufen, bevor ihr Streuobst die Bioland-Anerkennung erhält und zu Bioland-Produkten verarbeitet werden kann. Nach Abschluß der Umstellung wird durch den Bioland-Verband eine schriftliche Anerkennung ausgesprochen. Streuobstflächen, die bereits entsprechend lange über das Förderprogramm Umweltschonende Landbewirtschaftung (FUL, Grünlandvariante 3) gefördert werden, können nach Durchführung der EU-Bio-Kontrolle (VO 2092/91) ohne Umstellungsfrist die Bioland-Anerkennung erhalten. Eine Nutzung des Bioland -Warenzeichens ist nur durch die Streuobstinitiative, nicht durch Einzelpersonen möglich.

Bioland-Richtlinien:

  • Kein Einsatz von gentechnisch verändertem Pflanzgut.   
  • Kein Einsatz von chemischen Dünge- und Pflanzenbehandlungsmitteln.
  • Düngung überwiegend durch organisches Material aus dem eigenen Betrieb.
  • Kein Einsatz von Klärschlamm und Müllkompost.
  • Verwendung von ökologisch erzeugtem Pflanzgut.
  • Mechanische Beikrautregulierung.
  • Mindestens jährliche Kontrolle der Flächen durch unabhängige Fachleute.

U-Qualitätszeichen:

  • Streuobstbestände und Verarbeitungsort bzw. Kelterei dürfen höchstens 50 km, in Ausnahmefällen 100 km auseinanderliegen.  
  • Fachgerechte Pflege von Jung- und Altbäumen.
  • Verwendung von Mehrwegbehältnissen für die Streuobstprodukte.
  • Jährliche Frucht- und Blattproben sowie Qualitätskontrolle der hergestellten Streuobstprodukte durch ein unabhängiges Lebensmittellabor.   
  • Verpflichtend sind Nachpflanzungen in den Streuobstbeständen; dazu Verwendung von hochstämmigen Obstbäumen (mind. 180 cm Stammhöhe) robuster Sorten auf Sämlingsunterlage.

Was kommt konkret auf die Streuobstinitiativen zu?

Folgende Eckpunkte liegen der Projektidee zu Grunde:   

Vertragswesen   

Die Streuobstinitiative schließt mit den Streuobsterzeugern einen Liefer- und Abnahmevertrag ab. Hierbei verpflichtet sich der Streuobsterzeuger zur Einhaltung der Bioland- und NABU-Anbaukriterien sowie zur Duldung der entsprechenden Kontrollen. Er erhält das Recht auf den Aufpreis, der je nach Obsternte zwischen 14 und 21 Euro/100 kg liegt. Die Streuobstinitiative schließt mit dem Verarbeiter einen Verarbeitungsvertrag ab. Der Verarbeiter verpflichtet sich, das Obst der Vertragserzeuger, deren Obst nicht über die Initiative vermarktet wird, getrennt einzusammeln und zu verarbeiten. Der Verarbeiter verpflichtet sich weiterhin, ausdrücklich auf den nachhaltigen, landschaftserhaltenden Charakter des Aufpreis-Produktes hinzuweisen. Die Streuobstinitiative übernimmt die Betreuung der Vertragserzeuger, die Kontrolle der NABU-Anbaukriterien, Öffentlichkeitsarbeit und politische Lobbyarbeit. Alle dabei entstehenden Kosten übernimmt der Verarbeiter.   

Der Verarbeiter schließt einen Vertrag mit dem Obsterzeuger ab. Dadurch soll verhindert werden, daß Obsterzeuger, deren Kontrollkosten vom Verarbeiter übernommen wurden, ihr Obst bei einem anderen Verarbeiter abliefern. Das Ausscheiden eines Obsterzeugers als Vertragspartner eines Verarbeiters zieht auch das Ausscheiden als Vertragserzeuger der Streuobstinitiative nach sich, und umgekehrt.   

Obsteinsammlung / Ernte   

Die Streuobstinitiative übernimmt die Ernteplanung (Behangschätzung, Mengenmanagement). Der Verarbeiter richtet Containerstellplätze ein und stellt in Absprache mit der Streuobstinitiative die Sammelcontainer. Bevorzugt sind Containerplätze in der Nähe befahrbarer Waagen (z. B. Raiffeisenlager, Kompostwerke). Das eingesetzte Personal der Streuobstinitiativen wird mit 15 Euro/Stunde zuzüglich Fahrtkosten entlohnt.   

Kontrollwesen   

Der Bioland-Verband überprüft die Einhaltung seiner Richtlinien. Diese Kontrolle wird mindestens einmal im Jahr durch Kontrollbeauftragte vom Bioland-Verband durchgeführt.   

Bei der Bio-Kontrolle sollte die Streuobstkontrolle miterledigt werden. Dies geschieht entweder durch die Bio-Kontrolleure oder durch Personal der Streuobstinitiative. Die hierbei anfallenden Fahrtkosten werden durch den Verarbeiter vergütet. 

Keine Konkurrenz zu bestehenden Streuobst-Aufpreisinitiativen.Im Gegenteil: Bestehende Initiativen sollen natürlich weiterhin in ihrer Region tätig sein und ihre eigenen Streuobstprodukte herstellen und vermarkten. Erfahrungsgemäß unterliegen die meist ehrenamtlich betriebenen Streuobstinitiativen einem stetigen Wachstum. Erreicht oder überschreitet die Jahres-Streuobstproduktion bzw. die Anzahl der Obsterzeuger eine bestimmte Grenze (ca. 50 t), ist das Management (Obsteinsammlung, Verarbeitung, Vermarktung) kaum noch ehrenamtlich zu bewältigen. Hier können die “Übermengen” weitere Obsterzeuger, deren Obst von den Initiativen selbst nicht verarbeitet und vermarktet werden kann, in das Projekt eingebracht werden. So wird gewährleistet, das einerseits die regionale Identität von Streuobstprodukten gewahrt bleibt, andererseits aber mehr Streuobst zu angemessenen Preisen genutzt werden kann.

Richard Dahlem, NABU Rheinland-Pfalz (Juli 2001)