Bedeutung der Moselaue für den Naturschutz im Saarland

Die Moselaue im Bereich zwischen Nennig und Perl besitzt vielfältige Wertigkeiten und teils gar überregionale Bedeutung für den Arten- und Biotopschutz.Nachfolgend werden wichtige Aspekte mit ausgesuchten Beispielen aufgeführt.

A. Aktuelle faunistisch-floristische Wertigkeit

* FFH-Arten:

Unabhängig von einer detaillierten Analyse der Vorkommen von Rote-Liste-Arten zeigt allein der Blick auf den Standarddatenbogen und die daraus resultierende Zusammenstellung der Arten mit einem Status gemäß der FFH- oder Vogelschutz-Richtlinie der EU die aktuelle faunistisch-floristische Bedeutung des Bereiches auf:

Besonders wertgebende Arten mit FFH- und VR-RL-Status

Vögel

  • Eisvogel (Alcedo atthis)
  • Neuntöter (Lanius collurio)

Amphibien

  • Gelbbauchunke (Bombina variegata)
  • Kammolch (Triturus cristatus)

Libellen

  • Zierliche Moosjungfer (Leucorrhinia caudalis)
  • Zweiflecklibelle (Epitheca bimaculata)

Sonstige Gruppen

  • Großer Feuerfalter (Lycaena dispar)
  • Bitterling (Rhodeus sericeus amarus)

Auch die im Saarland als ausgestorben geltende Knoblauchkröte hatte in der Moselaue in früheren Jahren ein Vorkommen.

* Lebensraumtypen FFH:

Laut FFH-Standarddatenbogen kommen folgende FFH-Lebensraumtypen in der Moselaue im Bereich des gemeldeten FFH-Gebietes vor (gelistet: Code und FFH-Lebensraum):

  • 3130: Oligo- bis mesotrophe stehende Gewässer mit Vegetation der Littorell-etea uniflorae und/oder der Isoeto--Nanojuncetea
  • 3120: Meso- bis eutrophes, sich selbst überlassenes Abbaugewässer
  • 3140: Oligo- bis mesotrophe kalkhaltige -Gewässer mit benthischer Vegetatio-n aus Armleuchteralgen
  • 3140: Meso- bis eutrophes, sich selbst überlassenes Abbaugewässer
  • 3150: Natürliche eutrophe Seen mit einer Vegetation des Magnopotamions oder-Hydrocharitions
  • 3150: Altwasser (ohne Anbindung an ein Fließgewässer)
  • 6510: Magere Flachland-Mähwiesen (Alopecurus pratensis, Sanguisorba officinalis)
     

Für das eigentlich von natur aus stillgewässerarme bzw. gar –freie Saarland sind natürlich die verschiedenen Typen der größeren Stillgewässer besonders wertvoll.

B. Entwicklungspotential

Wie wichtig neu entstehende Gewässer für den Naturschutz sein können, zeigt ein ganz aktuell durch jüngsten Abbau entstandener Kiesweiher, dessen Uferpartien im Sommer 2005 von einer Uferschwalbenkolonie besiedelt wurden.

Je nach Gestaltung mit möglichst vielen flachen Uferpartien aber durchaus auch steilen Uferwänden, permanent wasserführenden, tieferen Teichen aber auch kleinen Gewässern bis hin zu austrocknenden Tümpeln und Kleinstgewässern lassen sich vielfältige Mikrohabitate mit kleinräumig unterschiedlichen Eigenschaften und damit eine Vielzahl von Lebensräumen für die unterschiedlichst spezialisierten Tier- und Pflanzenarten schaffen.

Wie enorm dieses Gestaltungs- und Entwicklungspotential in Kiesabbaubereichen ist, läßt sich durch einen Besuch des Baggerweihergebietes bei Remerschen unweit des saarländischen Moselauengebietes auf luxemburger Uferseite im „Haff Remich“ feststellen.

Vielleicht gelingt es gerade für die oben bereits genannte Knoblauchkröte, neue geeignete Lebensräume (Kleingewässer) in der saarländischen Moselaue zu entwickeln. Die Aussicht auf eine Besiedlung besteht zumindest, denn es gibt in nicht allzu großer Entfernung in Lothringen aktuelle Nachweise dieser auch bundesweit extrem seltenen Amphibienart.

C. Grundsätzliche Bedeutung für regionalen und überregionalen Biotopverbund und die Biodiversität
 

* Grundsätzliche Bedeutung als Trittstein und für den überregionalen Biotopverbund:

Auszug aus einer Projektskizze von Martin Schorr und Bernd Trockur zu einem Antrag zu einem Life-Natur-Projekt, 2002:

„Das Moselflusssystem (Syr, Sauer, Our, Alzette, Prüm, Nims, Ruwer, Kyll, Blies, Nied, Ill, Prims, Saar, Mosel) verbindet auf der europäischen Ebene die südwestliche, stärker mediterran gefärbte kontinentale mit der zentralen kontinentalen biogeographischen Region. Der insgesamt zu bearbeitende Raum erstreckt sich von Lothringen über Saarland und Luxemburg nach Rheinland-Pfalz bis zur belgischen Grenze.

Die große unmittelbare Lebensraumbedeutung des Moseleinzugsgebietes wird verdeutlicht durch das Vorhandensein einer großen Anzahl von Gebieten, die in die FFH-Gebietsvorschlaglisten in den projektbeteiligten Ländern aufgenommen wurden.

Für viele Tierarten bzw. -gruppen (u.a. Fledermäuse, Schmetterlinge, Libellen, Fische, Vögel, Weichtiere) kann eine überregionale Vernetzungsfunktion mit hoher Wahrscheinlichkeit angenommen werden, für die Seidenbiene Colletes daviesanus (Insecta: Hymenoptera) ist sie nachgewiesen (vgl. Mader, 1998).

Die zentrale Vernetzungsfunktion des Mosel-Flusssystems innerhalb der kontinentalen Region sowie die Anbindung an die stärker mediterran geprägten Regionen Südwesteuropas werden v.a. unter Betrachtung älterer Faunen- und Florenwerke besonders deutlich (vgl. Le Roi, 1906; Le Roi & Reichensberger, 1913; Hulten & Wassenich, 1961). Hier sei nur das ehemalige Vorkommen der Zippammer an Sauer und Our bzw. das rezente Vorkommen an der Mosel hervorgehoben. Verwiesen sei auch auf die Buxbaumvorkommen an der Mosel oder den "Moselendemiten" Sedum rubens ebenso wie an die inzwischen in der Mosel ausgestorbene Steinfliegenart Marthamea selysii, die aktuell nur in stark gefährdeten Populationen in Spanien vorkommt (Zwick, 1984).

Haffner (1965, 1990) dokumentiert den Zustand der Moselaue (bzw. der Auen des Moseleinzugsgebietes) in den 60er Jahren aus vegetationskundlicher Sicht. Die Veränderung der charakteristischen Flussauenflora durch den Ausbau der Mosel zur Großschifffahrtsstraße wird u.a. von Hand (1993) beschrieben. Die Auswirkungen des Ausbaus der Mosel auf die Fauna werden detailliert von Mauch (1963, 1981) und Schorr (1996) dokumentiert und analysiert.

Aus diesen beispielhaft angeführten Publikationen ergibt sich die hohe Bedeutung des Mosel-Flussauensystems für Arten und Biotope von EU-weiter Bedeutung vor den großflächig Eingriffen in die Flussauen, die jedoch danach deutlich beeinträchtigt war.

Trotzdem lässt sich die enorm hohe Bedeutung des Flusssystems auch heute noch ermessen, da rezente Vorkommen von Arten und Biotopen der FFH-Anhänge im vorgesehenen Projektgebiet existieren. So zählt beispielhaft die Our zu den FFH-Meldegebieten mit der höchsten Anzahl an Lebensraumtypen nach Anhang I und Arten nach Anhang II in Rheinland-Pfalz ("Top five").
 

* Internationale Bedeutung für die Vogelwelt:

O-Ton des damaligen NABU-Vorsitzenden U. Heintz als Auszug aus der Pressemitteilung des NABU Saarland  vom 20.12.2005:

... „Die Bevölkerung soll aus speziell anzufertigenden Beobachtungshütten und -türmen heraus die Möglichkeit besitzen, aus großer Nähe Vögel zu beobachten. Dazu gehören Arten wie der Zwergsäger, der hier überwintert, aber in Nordskandinavien und Sibirien brütet oder der Teichrohrsänger, der hier brütet und südlich der Sahara überwintert.“

Die Verantwortung für die biologische Vielfalt, die das Saarland mit Schutz, Gestaltung und Entwicklung der Moselaue besitze, zeige somit eine Verantwortung über drei Kontinente. ...

* Biodiversität:

Legt man den Entwurf des BFN (Bundesamt für Naturschutz) zur Biodiversitätsstrategie als Maßstab an, so ergibt sich für die Moselaue durch Vorkommen bundesweit auf der Rote Liste mit Status 1 und 2 stehenden Arten eine Bedeutung für die Erhaltung der Biodiversität z.B. bei den Libellen (die Keilfleck-Azurjungfer, die Zierliche Moosjungfer, die Zweiflecklibelle) und den Amphibienarten (Gelbbauchunke).

Gerade im Beieinander nach Möglichkeit naturverträglich genutzter und in Teilen nutzungsfreier, aber durch Nutzung entstandener Bestandteile der Kulturlandschaft besteht auch eine kulturgeographische Chance und Bedeutung für die Moselaue und die diese in diesem Bereich prägenden Stillgewässer, die ja im Gegensatz etwa zu den seenreichen Bereichen Ostdeutschlands künstlich entstanden sind und sich daher als Kultur- und nicht als Naturlandschaft verstehen.