Interview (2007) mit Diplom-Biologe und Diplom-Geologe Dr. Norbert Fritsch, Leiter der Biber-AG des NABU Saarland und Mitinitiator der Wiederansiedlung der Biber im Saarland
Dr. Norbert Fritsch: Ganz genau können wir das nicht sagen, weil Biber meist an schwer zugänglichen Stellen mit üppiger Vegetation leben und erst in der Dämmerung aktiv werden. Derzeit dürften etwa 150 Biber an saarländischen Flüssen und Bächen leben. Seit 1995 wurden insgesamt 50 Biber ausgesetzt, der Rest ist hier geboren. Das ist eine gute Bestandsentwicklung, wie man sie in der Aufbauphase einer Population erwarten kann. Damit steht außer Frage, dass die gewählten Aussetzungsgebiete als Lebensräume geeignet sind. Natürlich sterben schon mal einzelne Jungtiere an Krankheiten oder bei Unfällen, oder sie werden, wenn die Eltern nicht aufpassen, von Wildschweinen oder Füchsen gerissen. Aber diese Verluste sind in der freien Wildbahn normal.
Dr. Norbert Fritsch:Das Verbreitungsgebiet umfasst hauptsächlich den zentralen und westlichen Teil des Saarlandes. Ausgehend von der Ill haben sich die Biber inzwischen im gesamten Primssystem (Prims, Ill, Theel, Löster und kleinere Nebenbäche) angesiedelt, unterstützt durch gezielte Aussetzungen an der Prims selbst oder weiteren Nebengewässern. Die an der Bist ausgesetzten Biber haben die Bist bis zur Mündung erobert, und einige von ihnen sind schon an der Saar gesichtet worden.
Dr. Norbert Fritsch:Die Hauptausbreitungsrichtung ist Westen und Nordwesten. Das heißt, von der Bist und von der Prims aus werden Biber wahrscheinlich entlang der Saar Richtung Merzig wandern und dabei auch die Nied besiedeln. Das Revier einer Biberfamilie umfasst zwischen 500 bis 3000 Meter Uferlänge. Bei konstanter Dichte und weiterhin guter Bestandsentwicklung müssen die Tiere also neue Lebensräume in Besitz nehmen. Das ist auch kein Problem für sie, da sie sehr anpassungsfähig sind, ihre Lebensräume selbst gestalten können und im Schutze der Dunkelheit auch in der Nähe menschlicher Siedlungen leben können.
Dr. Norbert Fritsch:Das ist sehr unwahrscheinlich, da Biber erst in der Dämmerung und nachts munter werden – es ist jedoch nicht ausgeschlossen. Wer aber zumindest die Spuren sehen möchte, die von der Anwesenheit eines Bibers zeugen, kann an einer Führung des Zweckverbands Illrenaturierung teilnehmen. Ansprechpartner ist Herr Rasmund Denné, Telefon 06881-962057.
Dr. Norbert Fritsch: Als Laie würden Sie die Veränderungen an größeren Flüssen wahrscheinlich gar nicht wahrnehmen . Weil hier der Wasserstand fast konstant und immer ausreichend ist, haben Biber keine Veranlassung, Bäume abzuholzen, um Staudämme zu bauen. Sie beschränken sich hier darauf, einzelne Gehölze aus der Ufervegetation zu entnehmen und gegebenenfalls kleine Lichtungen zu roden. Das ist übrigens günstig für das Gewässer, weil damit helle Lebensräume für Insekten wie Libellen und Schmetterlinge geschaffen werden.
In den Tälern kleinerer Nebenbäche, die im Sommer wenig Wasser führen, kann das schon anders aussehen. Hier bauen die Biber mitunter gestaffelte Dämme - bewundernswerte Bauwerke, die manchmal an asiatische Reisterrassen erinnern, - um das Wasser zurückzuhalten. Sie schaffen damit kleine Teiche, in denen Amphibien laichen können, und Sumpfwiesen, die seltenen Pflanzen Lebensraum bieten. So entstehen wertvolle neue Biotope. Und auch die Menschen profitieren von der Landschaftsgestaltung der Biber: die Stauteiche wirken bei Dauerregen wie Hochwasserrückhaltebecken, und der gleichmäßigere Wasserstand sorgt für einen höheren Grundwasserpegel.
Dr. Norbert Fritsch:An der Blies zwischen Neunkirchen und Ottweiler haben wir Anfang November des letzen Jahres noch zwei Biberfamilien ausgesetzt (siehe Info, Anm. d. Red.). Im Jahr davor hatten wir schon acht Tiere an der Blies bei Blieskastel angesiedelt, aber eine überlebensfähige Gründerpopulation im Ostsaarland braucht etwa zwanzig Tiere. Den Populationsaufbau in diesem neuen Gewässersystem wollen wir mit der diesjährigen Aktion fortsetzen. Im Westsaarland haben wir bereits eine stabile Population. Wenn in einigen Jahren auch der ostsaarländische Bestand stabil sein wird und sich weiter an der Blies und ihren Nebengewässern, z.B. in Richtung Würzbach oder Oster ausgebreitet haben wird, ist die genetische Vielfalt des Bibers im Saarland gesichert. Die aufwendigen Aussetzungen werden dann aufhören, und die Leute der Biber-AG können sich dann ganz auf die Beobachtung und Betreuung der Biber konzentrieren.
Dr. Norbert Fritsch:Wir suchen den Aussetzungsort und die Zeit sorgfältig aus. Wichtig ist, dass es dort Nahrung und Deckung gibt und dass die Tiere ungestört sind. Außerdem muss der Sozialverband stimmen, also werden Familien oder Pärchen ausgesetzt. Als Starthilfe legen wir den Bibern einen Kunstbau an. Die Aussetzung im Spätherbst hat den Vorteil, dass die Tiere dann keine großen Wanderungen mehr beginnen, sondern über Winter erst einmal sesshaft bleiben. So können wir die Verbreitung steuern. In den vergangenen sechs Jahren haben wir mit dieser Strategie gute Erfahrungen gemacht.
Dr. Norbert Fritsch:Mit Landwirten gab es noch nie Ärger. In Einzelfällen beschwerten sich Gartenbesitzer über vom Biber gefressenes Gemüse oder angenagte Bäume. Die Biber-AG konnte aber immer schlichten und Abhilfe schaffen. Zum Beispiel Obstbäume in Ufernähe können mit einfachen Drahtmanschetten vor Biberzähnen geschützt werden.
In Thalexweiler habe ich einmal etwas Witziges erlebt: Dort trieb ein Biber nachts sein Unwesen in einer Obstwiese an der Theel. Der Besitzer war tagelang völlig ratlos, wer da seine Bäume gefällt haben sollte. Der Nachbarschaftsfrieden war schon in Gefahr, als ich von der Sache hörte. Vor Ort war mir dann klar, dass nur ein Biber der Übeltäter sein konnte. Wir spendierten neue Apfelbäume und sicherten diese mit Drahtmanschetten. Im Dorf warben wir mit einer Info-Veranstaltung um Verständnis. Und siehe da: der Biber-Geschädigte, der bereits Bachpate war, wurde nun auch noch Biberbetreuer.
Weil Biber sehr anpassungsfähig sind, benötigen sie keine Schutzmaßnahmen in der Form, dass die Jagd und die Fischerei Einschränkungen erfahren müssten. Angler und Jäger brauchen also nicht zu befürchten, dass sie wegen der Anwesenheit der Biber “ausgesperrt” werden. Der Biber kommt mit allen Leuten gut zurecht.
Dr. Norbert Fritsch:In erster Linie dem Straßenverkehr – ähnlich ist es ja beim Wild auch. Wenn Straßen dicht an Gewässern vorbeiführen, kommt es schon mal vor, dass ein Biber auf der Suche nach einem neuen Revier unter die Räder kommt. Auf diese Weise wurden bisher fünf Biber getötet.
Dr. Norbert Fritsch:Die Arbeitsgemeinschaft Biber, kurz Biber-AG des NABU, das sind etwa 80 Leute, die in Sektionen zusammenarbeiten: den Biber-Arbeitsgruppen Ill, Prims, Bist und, seit 1999, Blies. Mit den einzelnen Sektionen organisiere ich zwei- bis dreimal jährlich Treffen vor Ort, und einmal im Jahr kommen alle zusammen, damit es auch einen gebietsübergreifenden Erfahrungsaustausch gibt oder mal gemeinsame Aktionen stattfinden.
Diese “Biberpaten” oder Biberbetreuer beobachten “ihren” Flussabschnitt, dokumentieren die Entwicklung der dort lebenden Biber, sind Ansprechpartner für die Anwohner und helfen bei eventuellen Konflikten. Bei unseren Treffen tragen wir Beobachtungen und Erfahrungen zusammen, ermitteln Bestandszahlen und erstellen Verbreitungskarten. Ich versorge die Biberbetreuer mit aktuellen Informationen und Literatur, manchmal sehen wir uns Dokumentationsfilme über Biber an, und wir entwickeln Strategien für die weitere Arbeit.
Dr. Norbert Fritsch:Oh ja, da kommen leicht ein Dutzend Treffen im Jahr zusammen. Und die Aussetzungen nehmen ebenfalls viele Wochen meiner Freizeit in Anspruch. Aber wir sind eine starke Truppe, und ich stehe auch nicht ganz allein da.
Dr. Norbert Fritsch:Ja. Der Biber hat den Auen- und Gewässerschutz als Sympathieträger populär gemacht. Er steht stellvertretend für den artenreichsten Lebensraum unserer Heimat, für ein sensibles Ökosystem, das Unterstützung und Werbung gut gebrauchen kann. Gleichzeitig wertet er diesen Lebensraum nicht nur ideell, sondern auch materiell auf, indem er die Auen und Gewässer ihrem natürlichen Urzustand wieder näher bringt und damit anderen bereits verdrängten Arten den Weg zur Rückkehr bereitet. Die Wiederansiedlung der Biber ist das größte nachhaltige Artenschutzprojekt der letzten Jahrzehnte im Saarland. Es war die Initialzündung für einen kontinuierlichen, flächenhaften, unumkehrbaren Renaturierungsprozess. Die Biber-AG begleitet diesen Prozess, oder treffender: sie geht ihm einen Schritt voran und schafft die Voraussetzungen für seinen Erfolg.