Empfänger: Landtag des Saarlandes, Ausschuss für Umwelt und Verbraucherschutz, Franz- Josef- Röder- Straße 7, 66119 Saarbrücken
Sehr geehrte Frau Fretter, sehr geehrte Mitglieder des Umweltausschusses,
der NABU Saarland, stellte letzten Monat erfreut fest, dass der Appell des NABU Merzig e. V. nicht ungehört blieb und die Verkehrsministerin, Frau Anke Rehlinger, endlich die Hauptergebnisse der Verkehrsuntersuchung zur geplanten Nordumfahrung Merzig / Nordsaarlandstraße den Medien vorstellte. Somit ist endlich die dringend erforderliche Transparenz gegeben, die zur Diskussion eines solch großen geplanten Eingriffs in Natur und Landschaft nun einmal nötig ist.
Wie zu erwarten war, zeigen die Ergebnisse der Untersuchung, dass es keinen faktisch nachvollziehbaren Grund für eine solche neue Straße gibt. Im Gegenteil: die erhobenen Verkehrszahlen und Verkehrsströme belegen wieder einmal, dass es sinnlos wäre, sie zu bauen.
Und wie ebenfalls zu erwarten war, reagieren die Befürworter der Straße genauso, wie die Vorsitzende unserer Merziger NABU-Gruppe, Frau Hildegard Gottfrois-Bartel es in ihrem Aufruf an Frau Rehlinger vorhergesehen hatte. Sie möchten das Ergebnis, das ihnen natürlich nicht passt, genauso ignorieren und als unwichtig abtun, wie sie es bei allen vorherigen Untersuchungen zu diesem Straßenneubau bisher immer getan haben.
In den Verlautbarungen der Landrätin und der Bürgermeister von Merzig, Mettlach und Wadern werden reflexhaft die immer gleichen Argumente wiederholt, die nun zum vierten oder fünften Mal offiziell widerlegt wurden. Da wird auch noch auf eine Wirtschaftlichkeitsstudie des Landkreises aus dem Jahr 2011 verwiesen, die angeblich die zwingende Erforderlichkeit des Straßenneubaus belegen sollte. Frau Schlegel-Friedrich verschweigt allerdings, wie dieses Gutachten seinerzeit zustande kam. Es basierte hauptsächlich auf der Befragung von „Experten“,
die zufällig fast alle auf den Chefsesseln der Rathäuser des Landkreises saßen und natürlich die geplante Straße in den Himmel lobten.
Demgegenüber wurde im Rahmen der konkreten Untersuchungen und Planungen des Landesbetriebs für Straßenbau im Jahr 2012 auch eine echte(!) Wirtschaftlichkeitsuntersuchung
nach einem bundesweiten Standard durchgeführt, die zu dem lapidaren Ergebnis kam, dass der Bau dieser Straße nicht lohnt. Auch dieses Ergebnis hat den hier handelnden Politikern natürlich nicht gepasst.
Ich zweifle es zwar mittlerweile sehr an, dass die Frau Landrätin und die Herren Bürgermeister den Fakten ins Auge sehen möchten, denen sie sich so lange verweigert haben, wir können ihnen diese Fakten aber nicht ersparen:
Die Betreiber des Projektes müssen den Nachweis für ihre Erwartungen der wirtschaftlichen Ankurbelung des Hochwalds liefern.
Es ist eine reine, durch nichts belegte Behauptung, dass die paar Minuten Zeitgewinn eine erkennbar positive Entwicklung in Wadern, Weiskirchen, Nunkirchen und Losheim nach sich ziehen könnten.
Um das zu leisten, müssten sie wirklich eine Schnellstraße mit mindestens Bundesstraßenqualität bauen - auf der gesamten Strecke von A1 bis A8.
Das wiederum ist vollkommen illusorisch! Dieser Straßenbauabschnitt konnte und wird es nie in den Bundesverkehrswegeplan schaffen. Schon gar nicht angesichts der veränderten Rahmenbedingungen der zwar nur langsam aber immer stärker auf den Klimawandel ausgerichteten Bundespolitik.
Die Verkehrs- und Umweltprobleme in der Stadt- und im Landkreis Merzig-Wadern müssen in einem größeren Kontext betrachtet werden.
Vor dem Hintergrund einer schrumpfenden saarländischen Bevölkerung sind dieses und andere Straßenbauvorhaben nicht mehr zu rechtfertigen. Ende 2019 lebten nach Angaben des Statistischen Bundesamtes noch 987.000 Menschen im Saarland und befuhren mit 700.000 PKW das dichteste Straßennetz aller Flächenbundesländer. Für 2030 werden nur noch 916.000 Einwohner erwartet. Weiterer Straßenbau wird die strukturellen und auch die aktuellen Verkehrsprobleme des Landes nicht lösen.
Hier sind nach vorne in die Zukunft gedachte Lösungen zu diskutieren und zu planen. Durch verstärkte Nutzung digitaler Infrastrukturen kann viel Verkehr vermieden werden. Ergänzt durch besseren ÖPNV und Reaktivierung von Bahnstrecken kann Verkehr von überlasteten Straßen verlagert werden. Digitale Innovationen werden den Verkehr der Zukunft nachhaltig reformieren. Daher fordern wir den Stopp aller Straßenneubauprojekte und die dadurch gebundenen personellen Kapazitäten sowie die eingesparten Mittel in den ÖPNV umzulenken! Ab dem 01.01.2021 geht die Zuständigkeit für den Autobahnausbau auf den Bund über. Dies sollte zum Anlass genommen werden, den Aufgabenbereich neu zu ordnen, was sich
auch in einer Umbenennung der Straßenbauverwaltung in einen „Landesbetrieb für Mobilität“ zeigen sollte.
Aktuell sind noch die folgenden Neubauvorhaben, teilweise schon seit Jahrzenten, in den Köpfen von vielen Politikern und Verwaltungen. Dutzende Mitarbeiter*innen sind damit beschäftigt und die vorbereitenden Planungen verschlangen bereits einige Millionen Euro. Wir fordern daher, folgender Vorhaben aufzugeben: „Umfahrung Riegelsberg“, „Umfahrung Schwarzenbach“, „Umfahrung Nunkirchen“, Umfahrung Lebach“, „Nordumfahrung Merzig“ sowie „A1-Verschwenkung“ vor Saarbrücken durch den Saarkohlewald.
Wer jetzt noch neue Straßen fordert, investiert die knappen Mittel in eine falsche Zukunft. Die Coronakrise und die Klimakrise zeigen, dass viele Menschen bereit sind, sich einer nachhaltigen Zukunft zu öffnen.
Wir bitten hiermit den Umweltausschuss sich einer sachlichen unabhängigen Auseinandersetzung mit dem Thema nicht zu verschließen. Der NABU steht für eine Vorstellung der Argumente im Umweltausschuss gerne zur Verfügung.
Der NABU Landesverband Saarland
i.A. Landesvorsitzende Dr. Julia Michely
QUELLEN: