22-2025: Flächennutzungsplan-Teiländerung Nr. 77 im Bereich Lanzenberg

In der Gemarkung St. Wendel der Kreisstadt St. Wendel

Der NABU Saarland bedankt sich für die Beteiligung im Rahmen des Verfahrens.

Eine erste nähere Inaugenscheinnahme der Planungsfläche erfolgte am 17.02.2025 im Rahmen einer Ortsbegehung durch Frau Stein und Herrn Schmitt vom NABU-Landesfachausschluss Feldherpetologie.

Verkürzte Offenlegungsfrist für die FNP-Teiländerung nicht nachvollziehbar

Warum das frühzeitige Beteiligungsverfahren bezüglich der Teiländerung des Flächennutzungsplans (FNP) im Rahmen des Parallel-(!)-verfahrens nach § 8 Abs. 3 BauGB auf zwei Wochen verkürzt wurde, erschließt sich uns nicht, zumal die Frist zur Äußerung im B-Plan-Verfahren die übliche Länge von einem Monat umfasst.

Vielmehr macht es Sinn, die beiden unmittelbar voneinander abhängigen Bauleitpläne gemeinsam zu betrachten und für beide Verfahren, wie es eigentlich durchgängig üblich ist, dieselbe Frist einzuräumen. Gerade im Hinblick auf die Zuarbeit durch unsere ehrenamtlich Aktiven, die noch im Berufsleben stehen, wird hierdurch ein absolut unnötiger Zeitdruck geschaffen. Individuelle Fristverlängerungen auf Anfrage werden von juristischer Seite hingegen grundsätzlich kritisch gesehen, sollte später ein Normenkontrollverfahren erforderlich werden. Sie stellen somit keine Alternative zu einem ausreichend bemessenen Offenlegungszeitraum dar.

Bedarf am „Wohnpark Lanzenberg“ nicht hinreichend begründet

Die Diskussion um die Notwendigkeit neuer, größerer Baugebiete im Außenbereich der Kernstadt St. Wendel hat in besonderem Maße Fahrt aufgenommen im Zusammenhang mit der Planung eines Wohngebiets an der Missionshausstraße, die im größeren Kontext der Planungen zum Standort Missionshaus selbst steht. Von der gleichnamigen Bürgerinitiative wurden Vergleichsberechnungen („Baulückenbilanz“) durchgeführt, welche die Darstellung der Stadtverwaltung zumindest im Hinblick auf die zu Grunde gelegten Bewertungsfaktoren und die Vollständigkeit der Potenzialflächen hinterfragenswert erscheinen lassen.

Insofern wird der NABU nicht umhinkommen, sich ebenfalls eingehend mit dieser Thematik zu beschäftigen, was angesichts der äußerst knappen Beteiligungsfrist allerdings erst im Rahmen des förmlichen Verfahrens möglich sein wird. Dazu sind unsererseits nämlich zuerst weitere Grundlagendaten bei der Stadtverwaltung anzufordern und ein Informationsverfahren nach dem Saarländischen Umweltinformationsgesetz (SUIG) bedarf selbst eines Vorlaufs von mindestens einem Monat. Dritten ist es ohne weitere Informationen nicht möglich, anhand der vorgelegten Begründung eine abschließende Beurteilung und Bewertung des Wohnbedarfs vorzunehmen, weil zunächst die dem Vorgang zu Grunde liegende Datenbasis auf Plausibilität geprüft werden muss.

Unsere derzeitige Einschätzung ist indes, dass auf das Wohngebiet auf dem Lanzenberg verzichtet werden kann, erst recht, wenn auch die Realisierung des Wohnparks in der Missionshausstraße erfolgen sollte.

Veralteter Flächennutzungsplan genügt heutigen Anforderungen nicht

Bei dem in der Begründung erwähnten „wirksamen Flächennutzungsplan 2010 der Kreisstadt St. Wendel“ (s. S. 4) handelt es sich lediglich um eine Neubekanntmachung mit den seit 1984 im Rahmen von zahlreichen Parallelverfahren erfolgten Änderungen. Eine grundlegende Überarbeitung mit integrierten Planungsansätzen fand somit zumindest nach unserer Kenntnis letztmalig vor über 40 Jahren statt.

Dieser vorbereitende Bauleitplan wird damit den heutigen Anforderungen an Bodenschutz, Biodiversitätsschutz, Energiewende, den demographischen Wandel usw. und letztendlich auch einer flächenschonenderen, restriktiveren Wohnraum-Bedarfsplanung in unseren Augen schon lange nicht mehr gerecht. Vor allem auch deswegen, weil nie eine grundlegende Alternativenprüfung der für eine Wohnnutzung unter Abwägung sämtlicher Belange am besten geeignete Flächen auf FNP-Ebene erfolgt ist, wie sie jetzt im Rahmen des kommenden Landesentwicklungsplans (LEP) in Form sogenannter Wohnsiedlungsentwicklungskonzepte für die Kommunen zur Pflicht werden könnte.

Grundlegende Zweifel an der Eignung der Planungsfläche

Der NABU hegt grundlegende Zweifel an der Eignung der Planungsfläche für eine Wohnnutzung bzw. sieht im Umkehrschluss, sofern überhaupt ein entsprechender Bedarf zweifelsfrei begründet werden kann, die Wahrscheinlichkeit des Vorhandenseins konfliktärmerer Flächen im Kernstadtbereich als höher an. Selbst das neue geplante Wohngebiet in der Missionshausstraße auf den Flächen der Steyler-Missionare, das eher aus weiteren Gründen (Hochwasserschutz, Denkmalschutz etc.) kritisch zu sehen ist, ist zumindest im Hinblick auf seine Naturausstattung als deutlich konfliktärmer zu bewerten. Klarheit schafft hier allerdings nur die Erstellung eines entsprechenden Wohnsiedlungsentwicklungskonzeptes, welches sich gerade eine Kommune mit dem Rang einer Kreisstadt leisten sollte, auch wenn es zunächst einmal nur für den Bereich der Kernstadt wäre.

Planerische Ziele und Grundsätze aus dem LEP Siedlung berührt

Der aktuell immer noch gültige LEP Siedlung aus dem Jahr 2006 enthält zahlreiche Ziele (Z) und Grundsätze (G) im Hinblick auf die Siedlungsplanung im Saarland (s. Amtsblatt des Saarlandes Nr. 29 vom 14. Juli 2006, S. 978 ff.). In diesem Zusammenhang negativ berührt sehen wir:

Festlegungen für die Siedlungsstruktur in allen Raumkategorien

(Z) Bei der Siedlungsentwicklung (Wohnen, Gewerbe, Industrie und Dienstleistungen sowie Einrichtungen für Freizeit und Sport) sind vorrangig die im Siedlungsbestand vorhandenen Potenziale an Brach- und Konversionsflächen, Baulücken und Baulandreserven sowie das Erneuerungspotenzial des Siedlungsbestandes zu nutzen.

(G) Den übergeordneten Prinzipien des Kap. 1.3 widersprechende städtebauliche Fehlentwicklungen – wie in den Außenbereich hinein ausgedehnte Siedlungsfinger sowie Splittersiedlungen – sollen auf den Bestand begrenzt werden.

(G) Grundsätzlich sind exponierte Hänge, Horizontlinien bildende Höhenzüge, regional bedeutsame Streuobstbestände, Auen sowie siedlungsklimatisch ausgleichend wirkende Kalt- und Frischluftentstehungsgebiete einschließlich der entsprechenden Abflussbahnen von Bebauung freizuhalten. Bei allen Planungen und Maßnahmen soll die Versiegelung des Bodens auf das für die Flächenfunktion erforderliche Maß beschränkt werden.

Besondere Festlegungen für die Siedlungsstruktur im Ländlichen Raum

(G) Arrondierungen bzw. Erweiterungen des Siedlungskörpers sollen sich bedarfsgerecht an den kulturlandschaftstypischen Siedlungs-, Erschließungs- und Bauformen orientieren. Auf eine dem Bestand angepasste Maßstäblichkeit soll geachtet werden. Städtisch geprägte Siedlungsformen sollen nicht als Vorlage für ländliche Siedlungsplanungen dienen.

Eine sinnvolle und nachhaltige Arrondierung von Wohnbauflächen sieht nach unserer Vorstellung anders aus. Vielmehr soll hier fußläufig weit von der Innenstadt entfernt eine kaum bedarfsgerechte, wenig integrierte, inselartige Ausdehnung der Wohnbebauung in den Außenbereich, zudem offenkundig sogar durch teilweise Überplanung gesetzlich geschützter Streuobstflächen erfolgen, die als nicht mehr zeitgemäß anzusehen ist. Diese Planung ist somit aus unserer Sicht abzulehnen.

Die Zeit der großen Neubaugebiete im Außenbereich, selbst nach einer aktuell erfolgenden Rücknahme einer zuvor gigantisch anmutenden Wohnbauflächenbevorratung, sollte auch in St. Wendel vorbei sein, zumal ein zweites Neubaugebiet ähnlicher Art in der Missionshausstraße entstehen soll.

Flächen für die Landwirtschaft anstatt Grünflächen

Wir halten es für zielführender, die aus der Wohnbaulandbevorratung entlassenen Flächen wieder als Flächen für die Landwirtschaft darzustellen, wie es ursprünglich der Fall war. Denn es handelt sich im Wesentlichen um Äcker, Grünland und Streuobstwiesen, die wichtige Funktionen zur Nahrungs- und Futtermittelversorgung sowie den Biotop- und Artenschutz erfüllen.

Streuobstwiesen sind als gesetzlich geschützte Biotope Tabuflächen

Streuobstwiesen, die in erheblichem Umfang (5-6 ha) im FNP-Geltungsbereich zum großen Teil mit jahrzehntealten Baumbeständen mit sehr hohem Biotoppotenzial (Baumhöhlen) vorkommen, gelten als extensive Grünlandnutzung und werden im Übrigen auch im Rahmen der Grundsteuerreform von der Finanzverwaltung zwingend als landwirtschaftliche Nutzung eingestuft. Ortsrandbegleitende Streuobstwiesen sind mittlerweile wegen ihrer starken Rückgänge insbesondere durch die Nutzung als Bauland als gesetzlich geschützte Biotope im Bundesnaturschutzgesetz verankert (vgl. § 30 Abs. 2 Nr. 7 BNatSchG). An deren Inanspruchnahme für andere Nutzungszwecke werden, sofern eine Zulässigkeit überhaupt begründet werden könnte, sehr hohe Anforderungen gestellt. Zudem sind belastbare Alternativenprüfungen unerlässlich und werden von den Behörden entsprechend eingefordert. Ebenso sind Störeinflüsse durch unmittelbar benachbarte Nutzungen (vorliegend vornehmlich Wohnen und Freizeit) unbedingt zu vermeiden, um gerade störempfindlichen Brutvogelarten weiterhin eine Existenz zu ermöglichen.

Dass die Streuobst-Ausprägungen am Lanzenberg den Einstufungskriterien der aktuellen Rechtsprechung für gesetzlich geschützte Biotope gerecht werden, ist aus unserer Sicht unstrittig. Da auf Landesebene noch keine Kartierungsdaten dieses neuen gesetzlich geschützten Biotoptyps vorliegen, muss dies zwangsläufig im Rahmen des Verfahrens im Zusammenhang mit der Erstellung des Umweltberichts erfolgen. Eine ausführlichere Auseinandersetzung mit diesem Thema erfolgt in unserer Stellungnahme zum B-Plan-Verfahren.

Die ebenfalls verbleibenden Ackerflächen erfüllen gleichfalls eher die Nutzungsart „Flächen für die Landwirtschaft“ als „Grünfläche“. Denn Grünflächen gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 5 BauGB bedeuten letztendlich bereits eine intensivierte anthropogene Nutzung, d. h. konkret die Zulässigkeit von Parkanlagen, Naturerfahrungsräumen, Dauerkleingärten, Sport-, Spiel-, Zelt- und Badeplätzen und sogar Friedhöfen, die mit der gegenwärtigen realen Nutzung nichts zu tun haben.

Zugleich gehen heute die meisten Planungen von Wohn- und Gewerbegebieten samt dazu erforderlicher Ausgleichflächen im weitaus größten Umfang auf Kosten landwirtschaftlicher Nutzflächen. Dadurch geht ständig weiterer wertvoller Boden für die Nahrungs- und Futtermittelproduktion verloren. Nicht zuletzt befürchten wir, dass die neuen Grünflächen gerade an hier vorhandener Stelle doch nichts anderes als spätere Wohnbaulanderweiterungsflächen im Rahmen zukünftiger Parallelverfahren sein könnten.

Städtebaulicher Vertrag wirft Frage nach Ergebnisoffenheit auf

Sehr irritiert waren wir von der Nachricht über den Abschluss eines städtebaulichen Vertrages am 06.12.2024 auf der Homepage der Kreisstadt St. Wendel:

www.sankt-wendel.de/news/news-detailansicht/967-staedtebaulicher-vertrag-fuer-st-wendeler-neubaugebiet-lanzenberg-unterzeichnet/

Auch wenn wir dessen Inhalt nicht kennen, so ist in dem Beitrag doch sehr konkret die Rede davon, dass bereits diverse Unternehmen den Zuschlag für die Umsetzung des Projekts erhalten haben. Es wird sogar schon zu Bewerbungen über ein Online-Formular für Bauwillige aufgerufen. Alles hört sich an, als seien die weiteren Planungsschritte lediglich noch eine Formalie. Insofern sorgen wir uns ernsthaft um ein objektives, ergebnisoffenes Verfahren. Städtebauliche Verträge empfehlen wir normalerweise erst nach der erfolgreichen Durchführung von Bauleitplanungsverfahren, um die Aufgaben und Kostenaufteilung zwischen Kommunen und Inverstoren zu klären und zu regeln.

Fazit – Lanzenberg in seinem ursprünglichen Zustand belassen

Der NABU plädiert dafür, die geplante Wohnnutzung auf dem Lanzenberg komplett aufzugeben und im FNP für den gesamten Geltungsbereich zur Darstellung „Flächen für die Landwirtschaft“ zurückzukehren. Eine Naherholungsfunktion hat dieser durch eine natürlich gewachsene Kulturlandschaft geprägte Bereich schon immer für die ortsansässige Bevölkerung gehabt. Die Wohnbedarfsplanung der Kreisstadt St. Wendel wird von uns im Rahmen des förmlichen Verfahrens eingehend geprüft werden.

Am Fortgang des Verfahrens sind wir sehr interessiert.

Kontakt: Dipl.-Geogr. Wendelin Schmitt, Geschäftsstellenleiter