Wir, der NABU Saarland, bedauern, dass wir nach unserer Stellungnahme im Rahmen der frühzeitigen Beteiligung der Öffentlichkeit nach § 3 Abs. 1 BauGB nicht, wie bei vielen saarländischen Kommunen üblich, im Rahmen der Beteiligung der Behörden und sonstigen Träger öffentlicher Belange gemäß § 4 Abs. 2 BauGB mit in das vorliegende förmliche Verfahren eingebunden wurden. Insofern waren wir auf die Mitwirkung der Anwohnenden angewiesen, die uns dankenswerterweise über die Offenlegung der Planungsunterlagen im förmlichen Verfahren informiert haben. Eine Inaugenscheinnahme der Planungsfläche fand bereits am 21.09.2024 durch Aktive des NABU-Landesfachausschusses Feldherpetologie (Frau Stein, Herr Schmitt) und Herrn Gremlica (NABU Mannheim) statt.
Wohnbedarf nicht hinreichend belegt
Wie der NABU bereits in seiner Stellungnahme zur F-Plan-Teiländerung vom 14.03.2025 (Az.: 27/2025 [91/2024] ws) dargelegt hat, ist die Wohnbedarfsberechnung auf der Grundlage der landesplanerischen Vorgaben nicht nachvollziehbar und daher anzuzweifeln. Der von uns nachgerechnete verbleibende Wohnbedarf von 5 WE lässt sich hingegen über die im F-Plan bereits vorhandene Erweiterungsfläche decken.
Die einst geplante Abstandsgrünfläche zum Gewerbepark Hungerpfuhl hin würde auch weiterhin ihren Zweck erfüllen und ein Lärmschutzwall wäre damit überflüssig. Die Überplanung der bisherigen Grünfläche betrifft vor allem und am ehesten die Kuppenlage, wo der Fels in Teilen unmittelbar ansteht. Wohnbauten ohne Unterkellerung sind zwar als Alternative möglich, jedoch in unseren Augen fragwürdig, zumal dann früher oder später zusätzliche Bauten auf dem übrigen Grundstück erfolgen werden, um den Platzverlust zu kompensieren. Gleichzeitig befürchtet die Anwohnerschaft Schäden an ihren Wohngebäuden durch die erforderlichen Erschließungsarbeiten in dem felsigen Untergrund.
Es sollte aber gerade mit einer der letzten noch bebaubaren Offenlandflächen in Spiesen besonders verantwortungsvoll umgegangen werden, um auch späteren Generationen noch einen gewissen Handlungsspielraum zu lassen, welche die Sache vielleicht anders sehen. Warum also nicht bereits jetzt mit flächensparenden, alternativen Wohnbauprojekten im Innenbereich beginnen und die ohnehin bereits sehr raren Grünflächen in der Gemeinde nicht für die Nachwelt erhalten?
Hydrogeologisches Gutachten von Firma des Investors selbst erstellt
In der Presseberichterstattung der Saarbrücker Zeitung zur Bürgerinformation vom 11.02.2025 über das neue geplante Wohngebiet (Neunkircher Rundschau vom 13.02.2025, S. C 5) ist die Rede von einem Investor namens Dr. Heiner Marx, welcher Geschäftsführer der Dr. Marx GmbH material testing and consulting im Gewerbepark Hungerpfuhl sei. Das bestätigt auch die Internetseite des Unternehmens.
Ein sehr wesentliches und zentrales Gutachten, nämlich die „Hydrogeologische Stellungnahme“ zu dem geplanten Vorhaben wurde von eben dieser Firma erstellt. Dieses hat sowohl Auswirkungen auf die Realisierbarkeit im Hinblick auf das Wohnungsbauprojekt bezüglich der Folgen möglicher Starkregenereignisse als auch auf eine weiterhin zu gewährleistende ausreichende Bespannung des Wassergrabens vor der Steilwand der angrenzenden Sandgrube. Denn dieser Graben ist ein Fortpflanzungsgewässer der streng geschützten FFH-Anhang-II- und -IV-Art Kammmolch (Triturus cristatus). Sogar die Kreuzkröte (Epidalea calamita) als stark gefährdete FFH-Anhang-IV-Art nutzt das Gewässer in offeneren, flachen Bereichen gelegentlich zur Reproduktion.
Weiterhin ist anzumerken, dass der direkt angrenzende Gewerbepark Hungerpfuhl inzwischen eine von zwei saarländischen Stichprobenflächen für das FFH-Monitoring der Kreuzkröte im Saarland darstellt. Auf der Vorgängerfläche ist ihr Vorkommen inzwischen erloschen. Negative Einflüsse auf die beiden genannten Arten infolge einer möglichen Fehleinschätzung der hydrologischen Auswirkungen des Wohnungsbauprojekts, die sich möglicherweise erst nach einigen Jahren zeigen, könnten damit im ungünstigsten Fall unangenehme Folgen haben, insbesondere wenn die Gemeinde nach der Projektumsetzung später Rechtsnachfolgerin auf der Fläche wird. Zugleich haftet das Unternehmen Dr. Marx als GmbH (Gesellschaft mit beschränkter Haftung) lediglich mit ihrem Stammkapital.
Vorliegend ist aus Befangenheitsgründen die Einholung eines unabhängigen Gutachtens zu fordern, weshalb auf inhaltliche Details des Hydrogeologischen Gutachtens an dieser Stelle nicht mehr näher eingegangen werden muss.
Versickerungsmulden als potenzielle Reproduktionsfallen für die Kreuzkröte
Bezüglich der Regenwasserableitung über Versickerungsmulden sehen wir das Problem, dass diese bei einer genannten Entleerungszeit von 24 Stunden (s. Hydrogeologische Stellungnahme, S. 8), vielleicht aber auch mehr, für aus dem Hungerpfuhl abwandernde Kreuzkröten als Laichgewässer attraktiv werden könnten. Das Problematische daran ist, dass diese dann weitere Tiere aus der Umgebung herbeirufen. Wegen ihrer extrem lauten Stimme die halbe Nacht hindurch werden Kreuzkröten im Wohngebiet nicht geduldet werden. In solchen Fällen haben wir bereits die Erfahrung gemacht, dass die Anwohnenden sich dann selbst von dem „Übel“ befreien, indem sie die Tiere illegal abfangen und leider nicht selten in ungeeigneten Lebensräumen wieder aussetzen.
Da diese Mulden aber aufgrund ihrer gewünschten Versickerungsfunktion keine Untergrundabdichtung haben und gemäß ihrer Funktionsbestimmung schnell wieder austrocknen, könnten dadurch auch innerhalb des geplanten Baugebiets Reproduktionsfallen entstehen. Überhaupt sind während einer möglichen Bauphase nicht nur für die Zauneidechse, sondern auch für die Kreuzkröte Vorkehrungen zu treffen (Abzäunung), die insbesondere zur Fortpflanzungszeit ein Einwandern in die Baufelder verhindern. Denn auf Baustellen entstehen nach Niederschlägen gerne potenzielle Laichgewässer, die ihrerseits wieder Reproduktionsfallen darstellen können. Diese Maßnahmen sollten sich ergänzend in den textlichen Festsetzungen wiederfinden. Denn wir bekamen schon in der Vergangenheit einzelne Kreuzkröten aus dem bestehenden Wohngebiet gemeldet.
Akzeptanz und Unterhaltung der Versickerungsmulden fraglich
Der NABU hat zumindest Zweifel daran, dass die Versickerungsmulden in der Gesamtheit hinreichend von den Hauseigentümer*innen derart instand gehalten bzw. gewartet werden, dass sie dauerhaft ihre Funktion erfüllen können. Insofern ist denkbar, dass die Versickerungsfähigkeit leidet (Dauerstau macht Lockwirkung für die Kreuzkröte wahrscheinlicher). Folglich ist auch nicht auszuschließen, dass das Regenwasser später über den obligatorischen Überlauf, möglicherweise auch durch ein Kurzschließen der Mulde, doch überwiegend in der Oberflächenkanalisation landen wird. Denn erfahrungsgemäß kontrollieren die Kommunen später kaum mehr jedes Grundstück auf die Konformität mit den Festsetzungen im B-Plan.
Artenschutzkonzept Hungerpfuhl/Truckenbrunnen einbeziehen
Seit einigen Jahren stehen wir mit der Gemeinde Spiesen-Elversberg in Kontakt wegen eines Artenschutzkonzepts für die Herpetofauna im Bereich Hungerpfuhl, zu dem wir auch selbst entsprechende Vorschläge gemacht haben. Die wesentliche Ausarbeitung erfolgte durch das Büro für Landschaftsökologie (BfL) Flottmann & Flottmann-Stoll. In der im vorliegenden Verfahren veröffentlichten Stellungnahme des Landesamtes für Umwelt- und Arbeitsschutz (LUA) vom 28.05.2024 aus der frühzeitigen Behördenbeteiligung verweist dieses auf ein „Konzept zur langfristigen Sicherung der ökologischen Funktion der Fortpflanzungsstätten für die vorkommenden streng geschützten Arten, insbesondere Amphibien, Reptilien, Libellen im Umfeld des Vorhabenraumes“, wozu ihm allerdings noch kein Endbericht vorliege. Bei dem Artenschutzkonzept handele es sich um Auflage Nr. 8 der Ausnahmegenehmigung vom 24.10.2017 an die Gemeinde.
Insofern macht es gegebenenfalls Sinn, artenschutzrechtliche Kompensationsmaßnahmen mit diesem Konzept abzustimmen, das aber dem NABU bisher ebenfalls nicht bekannt ist. Möglicherweise ergeben sich aus den Erfassungsdaten im Zusammenhang mit diesem Konzept auch Schwerpunkte der Verbreitung der Zauneidechse im Gebiet. Insofern wäre es wünschenswert gewesen, diese Daten im Rahmen des vorliegenden Verfahrens zur Verfügung zu haben. Immerhin liegt die oben angesprochene Ausnahmegenehmigung bereits fast acht Jahre zurück!
Insektenfreundliche Beleuchtung festsetzen
Da das Wohnungsbauvorhaben vergleichsweise exponiert und in Ortsrandlage realisiert werden soll, halten wir die Festsetzung einer insektenfreundlichen Beleuchtung, die bisher nicht vorgesehen ist, für sinnvoll. Der Ausschluss sogenannter „Schottergärten“ wird vom NABU ausdrücklich begrüßt.
Städtebaulicher Vertrag für das gesamte Projekt empfohlen
Sollte an der Planung weiterhin festgehalten werden, ist der Abschluss eines Städtebaulichen Vertrages unbedingt zu empfehlen, in welchem neben den Zuständigkeiten im Rahmen der Projektabwicklung die Modalitäten für eine spätere Übernahme durch die Gemeinde, Haftungsfragen sowie die Zuständigkeiten und Kostenübernahmen für die Kompensationsmaßnahmen einschließlich der über Jahrzehnte zu erbringenden Pflegeleistung (Ausgleich für die Inanspruchnahme des gesetzlich geschützten Biotops) verbindlich geregelt werden. Das ist zumindest teilweise (Regelung der Kompensationsmaßnahmen) in den Festsetzungen auch bereits so vorgesehen, man sollte in diesem Zusammenhang jedoch gleich alle Details des Vorhabens regeln.
Nummerierung der textlichen Festsetzungen Lücken im Umweltbericht
Die textlichen Festsetzungen sind im Planentwurf fehlerhaft durchnummeriert. Dies sollte in der Endfassung korrigiert sein. Darüber hinaus bestehen im Umweltbericht noch kleinere textliche Lücken, so in Kapitel 8.2 auf Seite 38 und korrespondierend in Kapitel 11 auf Seite 41, die noch zu schließen sind.
Fazit
Der NABU hält eine Wohngebietsentwicklung über die derzeit im F-Plan existierende Erweiterungsfläche hinaus nicht für zielführend, weil der Wohnbedarf nicht hinreichend begründet ist, mögliche negative Auswirkungen auf die angrenzenden Amphibien-Fortpflanzungsstätten im Gewerbepark Hungerpfuhl nicht zweifelsfrei und durch eine unabhängige Expertise ausgeschlossen werden konnten und ein gesetzlich geschütztes Biotop sowie der FFH-Lebensraumtyp 6510 in größerem Umfang betroffen sind.
Am weiteren Fortgang des Verfahrens sind wir sehr interessiert.
Kontakt: Dipl.-Geogr. Wendelin Schmitt, Geschäftsstellenleiter