Die einzige Wildbrücke des Saarlandes darf nicht bebaut werden!

Wichiger Wanderkorridor für Rotwild

Lebach: Der „Solarpark Wehingen“, eine 29 ha große Freiflächen-Photovoltaikanlage soll in der Gemeinde Mettlach entstehen. Der Ausbau der Erneuerbaren Energien liegt auch dem NABU am Herzen, doch soll bei diesem Vorhaben die einzige Wildbrücke im Saarland und gleichzeitig der einzige Wanderkorridor für Rotwild zerschnitten werden. „Eine weitere Zerschneidung des Biotopverbundes ist aus Sicht des Naturschutzes inakzeptabel. Der zunehmende Flächenverbrauch und die vielen Straßenbauprojekte führen ohnehin schon zu einer starken Zerschneidungswirkung und wir fordern einen naturverträglichen Ausbau der erneuerbaren Energien“, so Dr. Julia Michely Landesvorsitzende des NABU Saarland. Die Fläche auf dem Pellinger Tunnel lässt sich grob in 2 Hälften aufteilen. Eine Hälfte ist eine Ackerfläche in privatem Besitz, die andere Hälfte ist ein Ausgleichsfläche für den Bau der A8 und in öffentlichem Besitz. Zum Bestand der Ausgleichsfläche in öffentlichem Besitz gibt es fachliche Erkenntnisse: „Die Fläche zeigte sich bei der letzten Erfassung 2022 als Brachfläche mit Gehölzsukzession. Die Anzahl der Vorkommen bestandsgefährdeter Arten ist mit sieben gefährdeten, drei stark gefährdete und einer vom Aussterben bedrohten Art für diese kleine Fläche außerordentlich hoch. Neben dem Vorkommen von neun Orchideen-Sippen ist das Vorkommen der bundesweit extrem seltenen und für die kommende Rote Liste Deutschland vermutlich auch bundesweit als "vom Aussterben bedroht" eingestuften Vicia parviflora hervorzuheben. Das Saarland trägt bundesweit für den Erhalt der Art eine besondere Verantwortung. Der Brach-Fläche über dem Pellinger Tunnel kommt bezüglich des Biotopverbundes des FFH-Biotopnetztes auch aus botanischer Sicht besondere Bedeutung zu. Vor allem als Ersatz des Trittsteines am Kewelsberg zwischen Wehingen und Tünsdorf, dessen einstmals sehr gut ausgeprägte Kalk-Halbtrockenrasen durch mangelnde Nutzung, seit Ausweisung als FFH-Gebiet durch mangelnde Pflege und vollständige Nutzungsaufgabe völlig entwertet wurden“, so Thomas Schneider von der Naturforschenden Gesellschaft des Saarlandes, der DELATTINIA.
Der Solarparkausbau ist auf dem privaten Ackerland geplant (siehe Kartenauszug). Die hochwertige Brachfläche soll nicht beansprucht werden. Ein wildbiologisches Gutachten, welches von der Vereinigung der Jäger des Saarlandes beauftragt wurde zeigt: „Aufgrund nicht vorhandener weiterer, günstig gelegener und weit dimensonierter Wildtierquerungsmöglichkeiten entlang der BAB A8 im Saarland erscheint die „Wildbrücke“ Pellinger Berg für die Verbindung von Wildtierpopulationen und wandernder Großsäugetiere von besonderer Bedeutung. Umgebende und randliche Bebauungen und Einzäunungen schränken die Funktionalität erheblich ein. 60-70 % der effektiven Breite der Wildtierpassage gehen nach aktuellem Planungsstand verloren. Aufgrund der Einzigartigkeit dieser Wildtierquerung ist daher jegliche Bebauung abzulehnen. Eine Einschränkung des Korridors durch Bebauung würde zudem planungsrechtlich eine enorm kostenaufwendige Kompensation durch einen Wildbrückenneubau an anderer, ebenso geeigneter Stelle bedeuten.“ (Institut für Tierökologie und Naturbildung, Olaf Simon 2024). „In der Planung wird behauptet, dass sich durch solch einen Solarpark keine Auswirkungen auf das Umfeld ergeben würden - das ist falsch! Natürlich ergeben sich, besonders aus faunistischer Sicht Effekte auf das Umfeld, weil unweigerlich eine Barriere-Wirkung damit verbunden ist. Auch ein für Kleintiere durchlässiger Zaun ist ein Zaun. Noch dazu, wenn er eine polygonale Fläche von dieser Größe umschließen soll. Zugleich ist das die letzte breitere, offene Lücke zwischen den viele Kilometer lang gestreckten Windparks auf der Hochfläche entlang der deutsch-französischen Grenze“, so Kurt Robinius, Vorsitzender der NABU-Ortsgruppe Mettlach-Perl. „Des Weiteren möchte ich ergänzen, dass durch die Anlage mit dem Zaun die Wanderrouten des Rotwilds vollständig unterbrochen werden. Dies führt zu Inzucht innerhalb der Population – sowohl auf saarländischer als auch auf französischer Seite. In der Folge steht das Rotwild in dieser Region vor dem Aussterben. Dennoch wird dieses Vorgehen von der betreibenden Firma sowie dem Bürgermeister von Mettlach aktiv forciert – trotz der klaren Haltung der Ortsgruppe Mettlach-Perl“, erklärt Kurt Robinius.
Die südlich gelegenen Gehölzstreifen sind weitere Flächen die als Ausgleich für den Bau der A8 dienen und den Biotopverbund zwischen Deutschland und Frankreich darstellen. Die zentrale Wildwechselstelle würde durch den geplanten Solarpark stark eingeengt und zerschnitten werden, aus naturschutzfachlicher Sicht inakzeptabel. Die Wildbrücke ist ein zufälliges Nebenprodukt des A8-Ausbaues nach Luxemburg. Rudi Reiter, der stellvertretende Vorsitzende des NABU Saarland erinnert sich: „An der Stelle des jetzigen Tunnels sollte eine ebenso lange, offene und tiefe Autobahnschlucht entstehen. Mit den Erdmassen sollte ein ganzes Tal hinter der Grenze (Merchtal) verfüllt werden, weil das ganz nah und ohne deutsche Planungsbürokratie machbar war, in Frankreich konnten das die Bürgermeister das leicht entscheiden und es wäre eine sehr billige Lösung gewesen. Die Autobahnplanung war damals noch Landeshohheit. Durch Verzögerung war enormer Planungsdruck entstanden. Ich erinnere mich noch an Sitzungen in denen wir Umweltverbände dem damaligen Abteilungschef mächtig Druck gemacht hatten. Jedenfalls wurde kurzfristig entschieden, es den Luxemburgern gleichzutun und einen sehr teuren Tunnel zu bauen. Eine Wildbrückendiskussion war da noch kein Thema, kam erst später! Sie ist aber nun mal da und sollte nicht mit Photovoltaik Modulen bebaut werden.“

Der teure Tunnel wurde gebaut, und die Mehrausgaben wurden damit begründet, dass durch die Grünbrücke die Natur geschützt und dem Rothirsch seine seit Jahrhunderten bestehende Wanderroute an dieser Stelle ermöglicht wird. Diese Begründung wurde auch im Umweltministerium in den Akten festgehalten. Leider sind diese Akten heute nicht mehrauffindbar – in ihnen stand, dass die kostspielige Lösung ausschließlich zum Schutz der Natur getroffen wurde. Damit wäre jede Bebauung an dieser Stelle hinfällig. 

Anhang: Im Faunistisch-floristischen Informationsportal des Saarlandes (FFIpS) gibt es Daten zu Farn- und Blütenpflanzen von 2012, 2019 und 2022. An wertgebenden, bemerkenswerten, gefährdeten und geschützten Arten wurden beobachtet:

  • Acinos arvensis - Feld-Steinquendel (RL 3)
  • Bunium bulbocastanum - Knollenkümmel
  • Cirsium eriophorum - Wollköpfige Kratzdistel
  • Dactylorhiza maculata - Geflecktes Knabenkraut
  • Fumaria wirtgenii - Wirtgens Erdrauch (RL 3)
  • Gymnadenia conopsea - Mücken-Händelwurz (RL 3)
  • Hieracium piloselloides - Florentiner Habichtskraut
  • Lathyrus tuberosus - Knollen-Platterbse
  • Ophioglossum vulgatum - Natternzunge (RL 3)
  • Ophrys apifera - Bienen-Ragwurz
  • Ophrys apifera var. bicolor - Zweifarbige Bienen-Ragwurz
  • Orchis pyramidalis - Hundswurz
  • Platanthera bifolia - Weiße Waldhyazinthe (RL 3)
  • Silaum silaus - Wiesensilge (RL 3)
  • Teucrium botrys - Trauben-Gamander (RL 2)
  • Vicia parviflora - Zierliche Wicke (RL 1)

Zudem finden sich in der offline-Datenbank der floristischen Kartierung Beobachtungen zu folgenden Arten (2015-2020):

  • Himantoglossum hircinum - Bocks-Riemenzunge
  • Ophrys apifera var. friburgensis - Freiburger Bienen-Ragwurz
  • Orchis militaris - Helm-Knabenkraut (RL 3)
  • Orobanche minor - Kleine Sommerwurz (RL 3)
  • Orobanche purpurea - Violette Sommerwurz (RL 2)
  • Stachys germanica - Deutscher Ziest (RL 2)

Abbildung:
Rote umrandet sieht man hier die geplante Fläche von insgesamt 29 ha für den Solarpark. Karte aus der Studie von Bertram Mestermann (Eignung des Pellinger Tunneldachs im Verlauf der A 8 als Rotwildwanderkorridor).

Quellen:

  • Olaf Simon, H. Schmalenberger, C. Keil. Institut für Tierökologie und Naturbildung (2024). Potenzialabschätzung und Bewertung der Eignung und Durchlässigkeit der Wildtierquerung Tunnel Pellinger Berg über die Bundesautobahn A8 im Saarland mit dem Fokus auf wandernde Rothirsche.
  • Bertram Mestermann (2024): Eignung des Pellinger Tunneldachs im Verlauf der A8 als Rotwildwanderkorridor. Aufstellung des Bebauungsplans „Solarpark Wehingen“ mit paralleler Teiländerung des Flächennutzungsplanes der Gemeinde Mettlach.
  • Faunistisch-Floristisches Informationsportal des Saarlandes und der Saar-Mosel-Region: https://kartierung2020.delattinia.de/

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