Auf etwas andere Weise nähert sich dem Thema die amerikanische Umweltsoziologin Eileen Crist. Der deutsche Titel setzt bereits die Leitplanken für Ton und Inhalt ihres Buches. Im Gegensatz zu dem, als was er sich selbst gerne sieht, sei der Mensch eben nicht die Krone der Schöpfung. Er steht nicht über allen anderen Lebensformen, und nichts berechtigt ihn dazu, die übrigen Erdenbewohner ihrer Lebensräume und Existenzmöglichkeiten zu berauben. Die zentrale Schlussfolgerung, die Crist aus ihrer Beschreibung der derzeitigen Mensch-Natur-Beziehung zieht, lautet: Wenn das Artensterben gestoppt werden soll, dann muss der Mensch seinen Mitgeschöpfen mehr Raum auf diesem Planeten lassen bzw. zurückgeben.
Die Wurzeln der ökologischen Krise sieht Eileen Crist in einem meist unhinterfragten Überlegenheitsdenken, das sich im Verlauf der Zivilisationsgeschichte tief ins Bewusstsein der Menschen eingegraben hat. In früheren Zeiten wirkungsvoll befördert durch religiöse Lehren, die dem Menschen eine Sonderrolle andichten, sowie durch koloniale Verdrängung vermeintlich rückständiger (Natur-)Völker und Eroberung noch unbesiedelter Gebiete, waren es später vor allem Erfahrungen der Naturbändigung und -beherrschung im Zuge der industriellen Revolution, die zu einem kulturell tradierten Glauben an die menschliche Überlegenheit und ein damit verbundenes Recht zu grenzenloser Naturausbeutung geführt haben.
Die Autorin erkennt unter anderem auch in unserer Sprache und in der Verwendung bestimmter Begrifflichkeiten Werkzeuge zur Stabilisierung des Überlegenheitsdenkens. So kritisiert sie den menschenzentrierten Beiklang, der bei Begriffen wie „natürliche Ressource“, „ökologische Dienstleistung“ oder auch „Anthropozän“ mitschwingt. Denn weder sei die Natur ein Vorrat an Objekten von rein materiellem Wert, deren Zweck die Befriedigung menschlicher Bedürfnisse oder Begehrlichkeiten ist, noch seien die kumulierten Folgen der Lebensvorgänge in der Biosphäre als Leistungen zum Dienste an der Menschheit aufzufassen. Und obwohl Crist nicht in Frage stellt, dass die menschliche Spezies den Planeten in einem Ausmaß umgestaltet, wie es wohl keine andere einzelne Art tut, miss-fällt ihr auch der Begriff Anthropozän für diese neue erdgeschichtliche Epoche. Denn seine Verwendung gehe häufig mit einer Denkweise einher, die die umwälzenden und oft destruktiven Eingriffe des Menschen in die Umwelt quasi als Ausdruck seiner naturgegebenen Wesensart erklärt, wenngleich nicht unbedingt rechtfertigt.
Das aber ist Crist zufolge keineswegs der Fall, Homo sapiens müsste nicht zwangsweise der Zerstörer anderer Lebensformen sein, der er heute oft ist. So jedenfalls die optimistische Sichtweise der Autorin, die eine andere, eine ökologische Zivilisation für möglich hält. Dazu müsste sich jedoch zunächst die Zahl der Menschen auf der Erde reduzieren. Eine Weltbevölkerung von rund zwei Milliarden Menschen würde gut leben können, ohne die Natur zu überlasten und unzählige andere Arten zum Aussterben zu bringen. Den Schlüssel zum Erreichen einer niedrigen Geburtenrate sieht Eileen Crist dabei in weltweiter Bildung und Gleichberechtigung der Frauen.
Derzeit leben wir allerdings in einem System des expansiven „Technologie-Managerialismus“, wie die Autorin es nennt. Ein kennzeichnendes Merkmal dieser kollektiven Ideologie ist die Überzeugung, sämtliche (Umwelt-)Probleme, die von der immer weiter vorangetriebenen techno-ökonomischen Weltaneignung hervorgerufen werden, durch neue Technologien und weiteren Fortschritt lösen zu können. Das führt dann unter anderem zu Ideen, wie etwa die Klimakatastrophe durch Geoengeneering abzuwenden, oder die Welternährung durch gentechnische Eingriffe in das Erbgut von Nutzpflanzen und -tieren zu sichern, statt die eigentlichen Ursachen der Krisen anzugehen.
Die Ursache einiger Mängel dieses Buches liegt möglicherweise in einer etwas unaufmerksamen Übersetzungs- oder Lektoratsarbeit. So wurden zum Beispiel der Marianengraben (Tiefseerinne im West-Pazifik) zum „Mariengraben“ und der Chytridpilz (der bei Amphibien eine teils tödliche Erkrankung auslöst) zum „Cythrispilz“. Trotz solcher kleiner Mängel und des in manchen Punkten vielleicht streit- und angreifbaren Inhalts handelt es sich aber alles in allem auch hier um ein lesenswertes Werk.