Kommentar zum SZ Artikel vom 25.02.2021 „Land stellt Masterplan vor“

Der NABU fordert den sofortigen Stopp des Flächenverbrauchs im Saarland.

Unter dem bedeutungsschwangeren, aber nichtssagenden Begriff „Masterplan“ verkündete das Wirtschaftsministerium jüngst die massive Ausweitung von Industrieflächen im Saarland. Wobei sich hinter dem Schlagwort „Masterplan“ nichts weiter als ein informelles Planungsinstrument ohne verbindliche Festlegung verbirgt. Es ist der politische Versuch, den großen Wurf in der landesübergreifenden Industrieflächenplanung wirksam zu inszenieren. Er zeugt vom verzweifelten Glauben an ein ungebremstes Wachstum mit immer weiter eskalierendem Verbrauch endlicher Ressourcen.

Das ehrgeizige Ziel der Bundesregierung aus dem Jahr 2002, den täglichen Flächenverbrauch bis zum Jahr 2020 auf 30 Hektar zu reduzieren, erwies sich als Luftnummer, da er mit 56 Hektar fast doppelt so hoch wie veranschlagt war. Die Lösung für dieses Versagen war schnell gefunden: das Zeitfenster wurde kurzerhand auf 2030 verschoben. Damit nicht genug: bis 2050 strebt die Bundesregierung sogar neuerdings das Flächenverbrauchsziel „Netto-Null“ an. Nichts deutet allerdings darauf hin, dass Bund und Länder es ernst meinen mit diesen ehrgeizigen Zielen.

Betrachten wir das Saarland: Hierzulande stieg der Flächenverbrauch allein zwischen 2006 und 2016 um gut 10 %. Umgerechnet auf die Größe des Saarlandes dürfte laut 30-Hektar-Ziel der Verbrauch für Siedlungs- und Verkehrsflächen bei 0,2 Hektar pro Tag liegen, das sind im Jahr rund 73 Hektar, also in etwa die Fläche des Saarbrücker Zoos und des Deutsch-Französischen Gartens zusammen, wohlgemerkt: jedes Jahr.

Mit der Industrieflächenplanung des vorgelegten Masterplans II soll dieser Flächenverbrauch um besonders große Flächen erweitert werden. Das geplante Industriegebiet Lisdorfer Berg II und die Neuansiedlung von SVolt setzen die historisch gewachsene Industrialisierung des Saarlandes auf der „grünen Wiese“ fort, statt sparsam und zukunftsorientiert etwa Industrie- und Gewerbebrachen effizient zu nutzen.

Der „Bericht zum Zustand der Natur 2020“ des Bundesamtes für Naturschutz kommt zu dem Schluss, dass sich mehr als zwei Drittel der zu schützenden Arten in einem ungünstigen Erhaltungszustand befinden und fast die Hälfte der Lebensräume einen negativen Entwicklungszustand hat. Ursache dafür ist neben der intensivierten Landwirtschaft der Flächenbrauch für Bau- und Gewerbegebiete. Der NABU fordert, dass sich die saarländische Landesregierung an der im Mai 2020 von der EU-Kommission vorgelegten EU-Biodiversitätsstrategie des „Green Deal“ orientiert, die „mehr Raum für die Natur in unserem Leben“ anmahnt. Ökosysteme sind zusammenhängende Lebensräume. Ihre Zerstörung ist unumkehrbar. „Der Boden erfüllt als abiotischer Umweltfaktor lebenswichtige Funktionen für unsere Ökosysteme. Mit dem Verbrauch neuer Flächen für Industrie, Verkehrs- und Siedlungszwecke und zunehmender Versiegelung gehen die Lebensraumfunktion des Bodens, die Fruchtbarkeit und die Wasserdurchlässigkeit des Bodens verloren.“, sagt Julia Michely, Landesvorsitzende des NABU. Zu den Folgen zählen der Verlust der Bodenfauna, örtliche Überschwemmungen bei starken Regenfällen, niedrige Grundwasservorräte sowie städtische Wärmeinseln durch fehlende Verdunstungskälte. Mit den unbebauten Flächen und unversiegelten Böden als endliche Ressource müsste also sparsam umgegangen werden.

Verluste durch Renaturierung ausgleichen

Konkret fordert der NABU einen Renaturierungsplan. Genutzte Landschaften außerhalb von Schutzgebieten dürfen keine unbelebten Landschaften sein. Die Anpassung an den Klimawandel macht es wichtiger denn je, Böden vor Austrocknung und Erosion zu schützen. „Den Jahrzehnten fortdauernder Verluste können wir Jahrzehnte der Renaturierung, wieder reichhaltigerer Landschaften und erstarkender Populationen von fast verschwundenen Arten folgen lassen.“ Schrieb kürzlich NABU-Präsident Jörg-Andreas Krüger.

Geht der Flächenverbrauch auch im Saarland in diesem Tempo weiter, erreichen wir das Netto-Null-Ziel schon früher als 2050, nämlich dann, wenn wirklich keine verbrauchbaren Flächen mehr vorhanden sind.

Im Januar 2021 haben sich nun auch die Exekutiven von Luxemburg, Wallonien, Grand Est, Rheinland-Pfalz und dem Saarland auf ihrem Gipfel darauf verständigt, „den Biodiversitätsverlust und die Zerstörung der Ökosysteme zu bremsen.“ Es ist ein eindringlicher Auftrag auch an die drei Ministerien im Saarland, also die für Umwelt, Bauen und Wirtschaft, endlich nicht mehr gegeneinander zu arbeiten, sondern die Köpfe zusammenzustecken und Biodiversität und den Erhalt der wenigen noch vorhandenen Naturressourcen zu ihrem Leitmotiv zu machen.

Quellen:
https://www.nabu.de/natur-undlandschaft/naturschutz/deutschland/29538.html

https://www.umweltbundesamt.de/daten/flaeche-boden-land-oekosysteme/flaeche/siedlungs-verkehrsflaeche#anhaltender-flachenverbrauch-fur-siedlungs-und-verkehrszwecke-

NABU Landesverband Saarland e. V.,
Dr. Julia Michely, Landesvorsitzende, Handynummer: 0176 20476764