Hoher Flächenverbrauch gefährdet Nachhaltigkeitsziele der Bundesregierung

Erweiterung des Industriegebietes Lisdorfer Berg / Stellungnahme des NABU Saarland (Juli 2020)

Der NABU fordert wie auch der Sachverständigenrat für Umweltfragen (2016) bereits für das Jahr 2030 einen bundesweiten Netto-Null-Flächenverbrauch, während die Bundesregierung und die EU dies, wenn überhaupt, erst für das Jahr 2050 anstreben. Die Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung verfolgt bis 2030 lediglich das Ziel, den Flächenverbrauch von derzeit 56 auf (mindestens) 30 ha pro Tag zu halbieren, nachdem dieses schon 2020, also in diesem Jahr, hätte erreicht werden sollen.

Trotz des eklatanten Verfehlens dieses Ziels grassiert gegenwärtig die Diskussion um eine weitere Verlängerung des § 13 b BauGB, der die Bereitstellung von Wohnbauland im Außenbereich unter starker Beschneidung von Umweltbelangen weiterhin beschleunigen soll. Studien belegen, dass in 80 Prozent der Anwendungsfälle nur Ein- und Zweifamilienhäuser „auf der grünen Wiese“ gebaut werden, obwohl dieses Instrument eigentlich dazu gedacht war, zügig Wohnraum in Ballungsräumen zu schaffen.

Daneben bedarf die Energiewende erheblicher zusätzlicher Flächen, die bisher hierfür nicht im Fokus standen. Gleichzeitig ist das Saarland das am dichtest besiedelte Flächenbundesland mit einem der engmaschigsten Straßennetze in Deutschland. Demzufolge verfügen wir auch über keine unzerschnittenen Räume größer 100 Quadratkilometer mehr, wie sonst eher im Umfeld von Ballungsräumen üblich.

Die Flächenverluste samt -bedarfen für Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen erfolgen in erster Linie auf Kosten landwirtschaftlicher Produktionsflächen, was der inländischen Nahrungs- und Futtermittelerzeugung (Stichwort Soja-Anbau im Südamerikanischen Regenwald) entgegenwirkt und den Druck auf die Landschaft im Hinblick auf eine weitere Intensivierung der Bodenbewirtschaftung weiter erhöht.

In Anbetracht dieser Tatsachen stehen wir weiteren großflächigen Neuerschließungsvorhaben sehr kritisch gegenüber, zumal ein Ende dieser Entwicklung aktuell nicht absehbar ist und ein Masterplan Industrieflächen Saarland II zur Ausweisung weiterer Gewerbeflächen im Außenbereich möglicherweise schon in näherer Zukunft folgen wird. Zu wünschen sind hier alternative Initiativen und nachhaltige Konzepte in Richtung eines verbindlichen Flächenrecyclings.

Erfahrungen im Zusammenhang mit erstem Bauabschnitt ausschlaggebend

Im konkreten Fall des Industriegebiets Lisdorfer Berg kann auf die Erfahrungen mit dem ersten Bauabschnitt zurückgegriffen werden, welcher bereits mehrfach einer – anfänglich sogar juristischen – Intervention unseres Verbandes bedurfte. Sei es in Bezug auf die Lenkung hin zu einem funktionalen Ausgleich im Rahmen des Bebauungsplanverfahrens als auch im Hinblick auf die erst nachträgliche Berücksichtigung von EU-Artenschutzrecht im Zusammenhang mit der vorkommenden Herpetofauna.

Insofern haben wir die mögliche Absicht der Kreisstadt Saarlouis zur Kenntnis genommen, das Industriegebiet Lisdorfer Berg in einem zweiten Bauabschnitt um mehr als die Hälfte zu erweitern. In Ermangelung detaillierterer Informationen legen wir in diesem Zusammenhang das im mitgelieferten Klimagutachten definierte 181 Hektar große Untersuchungsgebiet zu Grunde, welches offensichtlich einem Vorentwurf aus dem Jahr 2010 entstammt. Dieses Gutachten erachtet eine Realisierung zwar unter bestimmten Voraussetzungen für möglich, diese gehen jedoch teilweise noch einmal mit einem zusätzlichen Flächenbedarf einher. In jedem Fall finden wir es begrüßenswert, angesichts der Dimensionen und Auswirkungen des Vorhabens die Bevölkerung in Form einer Bürgerbefragung mit in die Entscheidungsfindung einzubeziehen.

Eine grundlegende und abschließende Bewertung dieses Projekts durch den NABU ist aus nachvollziehbaren Gründen erst nach Vorliegen einer konkreten Planung möglich. Ausschlaggebend für eine möglicherweise erforderlich werdende, spätere Einschätzung unsererseits werden jedoch aus heutiger Sicht in jedem Falle sein:

  • die vollumfängliche rechtlich vorgeschriebene funktionale Kompensation der beeinträchtigten naturschutzfachlichen Belange wie im Falle des ersten Bauabschnitts, was als Grundvoraussetzung ein entsprechend umfangreiches Angebot an Ausgleichsflächen bedingt,

  • die neben der Avifauna von vorneherein zu berücksichtigende, im Gebiet vorkommende Herpetofauna, unter welcher sich mehrere streng geschützte FFH-Arten befinden,

  • die zeitnahe und konsequente Umsetzung der Empfehlungen aus dem Gutachten „Artenschutzkonzept Herpetofauna ‚GI Lisdorfer Berg‘“ in Bauabschnitt 1, die sich in der ersten Änderung des Bebauungsplans „Industriegebiet Lisdorfer Berg“ in Form entsprechender verbindlicher Festsetzungen entsprechend wiederfinden müssen,

  • der detaillierte Nachweis einer fristgemäßen und erfolgreichen Umsetzung der insbesondere funktionalen Kompensationsmaßnahmen und übrigen grünordnerischen Festsetzungen des ersten Bauabschnitts inklusive seiner ersten Änderungsplanung (Monitoring-Ergebnisse etc.),

  • die stadtklimatische Verträglichkeit des Erweiterungsvorhabens, die durch ein detaillierteres Klimagutachten nach Vorliegen konkreterer Planungsdetails nachzuweisen wäre, sowie

  • die Entwicklung in Form eines ökologischen Modell-Industriegebiets einschließlich eines Gebäudebrüter-Artenschutz-Konzepts für die Hochbauten.

Kontakt: Dipl.-Geogr. Wendelin Schmitt, Geschäftsstellenleiter, Tel. + 49 (0) 68 81.9 36 19-14