Methodik der Vogelberingung

Die wissenschaftliche Vogelberingung ist eine seit Beginn des 20. Jahrhunderts angewendete Methodik, bei der Vögel gefangen und meist mit einem Fußring markiert werden, der eine weltweit einmalige Inschrift trägt. Dies erlaubt im Falle von Ablesung, erneutem Fang oder Totfund eine eindeutige Identifizierung des Vogels durch die zuständige Vogelwarte. Ursprünglich war dies zur Aufklärung der Routen von Zugvögeln gedacht, da diese bis dahin für viele Arten noch unbekannt waren. Noch heute gibt es für zahlreiche, meist seltene Arten Aufklärungsbedarf im Hinblick auf Rastgebiete und potentielle Gefahren auf den Zugwegen, was entscheidend für Schutzkonzepte ist.
Fang und Beringung sind zudem eine wichtige Nachweis- und Erfassungsmethode, denn nur durch Markierung lässt sich eine genaue Bestandszahl und Artzusammensetzung der Rast- und Brutvögel ermitteln, was alleine durch Beobachtung unmöglich ist. In der dichten Vegetation beobachtet man zwar so manchen Kleinvogel, aber die Gesamtzahl im Gebiet entzieht sich dem Beobachter. Erst Fang und individuelle Kennzeichnung decken die bemerkenswerten Zahlen auf: Oftmals rasten hunderte Individuen pro Tag im IKEA-Biotop. Ferner werden manche Arten, die lokal selten sind und sich zur Zugzeit sehr ruhig verhalten, praktisch ausschließlich durch Beringung nachgewiesen. Hier sind z.B. Tüpfelsumpfhuhn, Rohrschwirl und Blaukehlchen zu nennen.
Weiterhin kann eine Studie an bestimmten Individuen durchgeführt werden, die durch die Beringung eindeutig wiedererkennbar werden. Nur so kann u.a. das genaue Alter eines Vogels und die Lebenserwartung festgestellt werden. Für viele Arten ist außerdem eine bemerkenswerte Standorttreue zu erkennen: Einige Brutvögel kehren nach der Überwinterung in Afrika jedes Frühjahr bis auf wenige Meter an den Brutplatz des Vorjahres zurück, manche Zugvögel zeigen ein wiederkehrendes zeitliches Muster bei Zug und Rast über mehrere Jahre.

Beringungsarbeit im IKEA-Biotop

Im IKEA-Biotop werden die Vögel mit ca. 40 speziellen Fangnetzen gefangen, die in den verschiedenen Lebensräumen verteilt sind. Diese sind selbstverständlich nur dann aufgestellt, wenn Beringer sie regelmäßig kontrollieren können. Typischerweise erlaubt diese Technik den Fang von Kleinvögeln bis zur Größe einer Amsel, ausnahmsweise werden aber auch größere Arten gefangen, z.B. Elstern, Lachmöwen und auch schon ein Graureiher. An Beringungstagen ist von Sonnenaufgang bis -untergang einmal pro Stunde ein Rundgang zur Netzkontrolle erforderlich. Insbesondere die Morgen- und Abenddämmerung sind Phasen erhöhter Aktivität. Die gefangenen Vögel werden dann so schnell und schonend wie möglich befreit und in Stoffsäckchen zur Beringungsstation transportiert. Dort wird schließlich jeder einzelne Vogel mit einem Ring der passenden Größe beringt, vermessen, dokumentiert und wieder frei gelassen. Die erfassten Daten werden in digitaler Form durch die zuständige Vogelwarte Radolfzell (Max-Planck-Institut für Ornithologie) zentral erfasst und stehen für lokale, überregionale und internationale Forschungsprojekte zur Verfügung.
Der gesamte Prozess aus Fang und Beringung ist für die Vögel schmerzfrei, ungefährlich und lediglich mit einem gewissen Stress verbunden. Um diesen zu minimieren, arbeitet unser erfahrenes Team mit größtmöglicher Sorgfalt im Umgang mit den Tieren. Das Gewicht des Rings, in etwa vergleichbar mit einer Armbanduhr für uns Menschen, beeinträchtigt den Vogel zudem auch nicht in seinem weiteren Leben. Dies ist nicht zuletzt durch die hohe Zahl an Wiederfunden zu belegen: Manche Individuen werden im Laufe ihres Lebens mehr als 20 mal wiedergefangen.
Seit Beginn der Erhebung konnten im IKEA-Biotop 173 verschiedene Vogelarten festgestellt werden, von denen 114 auch gefangen und beringt werden konnten, darunter Fünf Arten zum ersten Mal überhaupt im Saarland. Dies stellt eine bemerkenswerte Zahl dar, bedenkt man die geringe räumliche Ausdehnung des Gebiets und das urbane Umfeld. Bis heute konnten vor Ort über 80.000 Individuen beringt werden. Unter den Fänglingen waren auch über 300 Individuen, die anderenorts beringt wurden. Von Spanien bis Russland sind dabei fast alle europäischen Nationen vertreten. Umgekehrt wurden auch ca. 200 in Saarlouis beringte Vögel anderenorts wieder gemeldet, im Falle eines Sumpfrohrsängers sogar in 6.500 km Entfernung in einem kenianischen Rastgebiet.