Natur, Naturschutz und das Breitblättrige Knabenkraut aus Sicht der Bevölkerung – Ergebnisse einer empirischen Studie

Für den Schutz der Natur ist es von zentraler Bedeutung, wie Menschen Natur und Naturschutz verstehen. Gerade wenn Arten geschützt werden sollen, die nicht im Fokus öffentlichen Interesses stehen, wie das Breitblättrige Knabenkraut, ist es zentral, Kenntnisse darüber zu erlangen, welche Bedeutung deren Schutz Menschen beimessen. So lassen sich passgenauere Strategien zum Schutz dieser Arten im Besonderen und zum Schutz der Natur im Allgemeinen entwickeln. Dieser Beitrag befasst sich mit den Ergebnissen einer sozialwissenschaftlichen Studie, die im Rahmen eines durch das Bundesamt für Naturschutz mit Mitteln des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit geförderten NABU-Projektes „Bewusstseinsbildung und Entwicklung einer handlungsorientierten Verantwortung für Feucht- und Nasswiesen mit Beständen des Breitblättrigen Knabenkrauts“ durchgeführt wurde.

Die sozialwissenschaftliche Evaluierung befasste sich auf Grundlage von drei Online-Befragungen in den Jahren 2012, 2013 und 2014 mit den Fragen des Verständnisses von Natur und Naturschutz, Fragen der Einschätzung der gesellschaftlichen Zuständigkeit für Fragen des Naturschutzes, der heimatlichen Verbundenheit der Befragten und insbesondere zu Fragen über das Knabenkraut und seinen Schutz. Auf Grundlage qualitativer Interviews wurde ein quantitativer Fragebogen entwickelt. Dieser wurde online über die Homepage der NABU Saar der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Insgesamt beteiligten sich 322 Personen an den Befragungen.

Der Naturbegriff der Befragten ist von einer Trennung von Natur und Mensch geprägt. Wie in der abendländischen Kultur stark verbreitet, beschreibt Natur „das Ursprüngliche und Gute […], das im Gegensatz zu Gesellschaft als dem Künstlichen und gar Zerstörenden steht“, gleichwohl auch das „Wilde und Bedrohliche, das zum Schutz der Gesellschaft gezähmt wird“ (Groß 2006: 5; ähnl. Schönwald 2013). Natur ist für die Befragten insbesondere ein Ort, an dem man sich bevorzugt aufhält. Die Aufgabe des Naturschutzes sehen die Befragten insbesondere als die Erhaltung von Lebensräumen von Tier- und Pflanzenarten. Entsprechend wird der Erhaltung der Biologischen Vielfalt die zentrale Aufgabe des Naturschutzes beigemessen (Abbildung 1), deutlich vor dem am zweithäufigsten auf Rangplatz eins zu findenden Schutz der heimischen Laubwälder. Der Begriff „Biologische Vielfalt“ wird dabei mehrheitlich deskriptiv als „Vielfalt des Lebens auf unserer Erde“ verstanden (zwischen 42,9% im Jahr 2014 und 53,3% im Jahr 2013). Die Befragten sehen sich mehrheitlich von Problemen der Belastung der Natur betroffen oder stark betroffen (56,4% im Jahr 2014). Die größte Bedeutung für den Schutz der Natur weisen die Befragten ehrenamtlichen Naturschutzverbänden zu – mit steigender Tendenz – und zwar vor der eignen Verantwortung, derjenigen der Politik und jener von Experten. Informationen zu Fragen des Naturschutzes wünschen sich die Befragten mehrheitlich durch die Medien (insbesondere das Fernsehen), weniger durch direkte persönliche Ansprache von Mitgliedern von Naturschutzorganisationen, durch soziale Netzwerke oder eine Umwelt-App. Naturschutz wird dabei mehrheitlich nicht als „etwas für junge Menschen“ betrachtet. Lediglich 14,5% der Befragten stimmten der Aussage Naturschutz sei „etwas für junge Menschen“ voll zu, 18,2 % stimmten zu.

Kenntnisse zu Orchideen

Die Kenntnisse der Befragten zu Orchideen im Allgemeinen lassen sich als eher unkonkret beschreiben: Sowohl hinsichtlich der Vorkommens von Orchideen auf den unterschiedlichen Kontinenten als auch der Zahl der im Saarland vorkommenden Orchideenarten waren die Antworten weit um die korrekte Antwort gestreut. Ähnliches gilt – in allen Befragungsjahren – in Bezug auf das Breitblättrige Knabenkraut. Rund ein Drittel der Befragten wies detailliertere Kenntnisse über das Breitblättrige Knabenkraut und seine ökologischen Ansprüche auf. Eine Ausnahme bildeten recht umfangreiche Kenntnisse hinsichtlich des Wuchsortes des Breitblättrigen Knabenkrautes (Abbildung 2). Zu Pflegemaßnahmen zur Erhaltung von Feucht- und Nasswiesen mit Beständen des Breitblättrigen Knabenkrauts wiederum waren die Kenntnisse der Befragten von geringer Konkretheit geprägt, über alle Befragungsjahre hinweg.

Bereitschaft zum eigenen Engagement für den Naturschutz

Ein eigener Beitrag zum Schutz von Natur und Umwelt wird von den Befragten insbesondere in Niedrigkostensituationen geleistet: An erster Stelle rangiert die Mülltrennung (73,1%) vor dem Kauf von Bio- und regional erzeugten Produkten (68,7%). Ein eigenes Engagement für den Naturschutz wird lediglich von rund einem Viertel der Befragten geleistet. Im Kontext eines eigenen Engagements für den Schutz von Natur und Umwelt können sich die Befragten am ehesten in Form der Aufklärung der Bevölkerung vorstellen (Abbildung 3).

Die Bedeutungen von Heimat

Für die Befragten hat Heimat eine große Bedeutung: 19 von 20 Befragten fühlen sich mit der Region, in der sie wohnen verbunden. Heimat wird dabei zunächst sozial definiert, Geborgenheit ist das zentrale Merkmal von Heimat (Abbildung 4), gefolgt von dem Wohnort, Freunden und dem Ort, an dem die Kindheit verbracht wurde. Die vertraute Landschaft symbolisiert Heimat (Kühne/Spellerberg 2010).

Zusammengefasst lassen sich eine großen wahrgenommene Betroffenheit von Problemen der Natur und ein starker emotionaler Bezug zur eigenen Region feststellen. Dem gegenüber steht ein eher schwach entwickelter kognitiver Zugang zu den Themen des Naturschutzes. Die Handlungsbereitschaft äußert sich insbesondere in Situationen, die einen nur geringen persönlichen Aufwand erfordern, sowohl hinsichtlich des Einsatzes finanzieller Mittel als auch des persönlichen Engagements. Insofern erscheint es hinsichtlich der künftigen Kommunikation von Naturschutzprojekten empfehlenswert, verstärkt die emotionale und ästhetische Dimension des Zugangs zu Natur und Landschaft zu berücksichtigen. Gerade jüngere Menschen haben heute einen offenen Umgang mit dem Thema „Heimat“, historische Belastungen des Begriffs aus der Zeit des Nationalsozialismus sind bei jüngeren kaum noch präsent. Sehr viel stärker präsent ist hingegen die (vielfach erzwungene) Mobilität im Kontext des Erwerbslebens. Somit erscheint Heimat durchaus als ein geeigneter Zugang zu jungen Menschen. Ein solcher Ansatz kann zur Revision der Einschätzung beitragen, Naturschutz sei nicht „etwas für junge Menschen“.

Prof. Dr Dr Olaf Kühne, Hochschule Weihenstephan-Triesdorf.

Literatur

  • Groß, M. (2006): Natur. Bielefeld.
  • Kühne, O./Spellerberg, A. (2010): Heimat und Heimatbewusstsein in Zeiten erhöhter Flexibilitätsanforderungen. Empirische Studien im Saarland. Wiesbaden.
  • Schönwald, A. (2013): Die soziale Konstruktion ‚besonderer‘ Landschaften. Überlegungen zu Stadt und Wildnis. In: Bruns, D./Kühne, O. (Hg.): Landschaften: Theorie, Praxis und internationale Bezüge. Schwerin, 195-207.